Irgendwann werden wir uns alles erzählen

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brenda_wolf Avatar

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Sommer 1990, ein Bauernhof nahe der deutsch-deutschen Grenze, die nun keine mehr ist. Marias Sommer auf dem Brendel-Hof. Mein erster Sommer mit einem Vater, wenn auch nicht meinen, sagt die Ich-Erzählerin.

 

Maria wird bald siebzehn. Sie ist zu ihrem Freund Johannes auf den Brendel-Hof gezogen. Ihre eigene Familie ist zerbrochen. Der Vater hat Frau und Tochter wegen einer jungen Russin verlassen, die kaum älter ist als Maria. Doch eigentlich war er schon vorher nie da. Marias stärkste Erinnerung an ihren Vater, ist seine Abwesenheit. Sie entflieht der Traurigkeit der Mutter, die nun auch noch ihren letzten Halt, den Arbeitsplatz verloren hat. Das Firmensterben in der damaligen DDR hat begonnen.

 

Maria wird von Johannes Familie gut aufgenommen. Sie fühlt sich wohl im Schoß der Großfamilie, die drei Generationen unter einem Dach vereint. Maria bewohnt mit Johannes das Spinnenzimmer. Sie macht sich auf dem Hof nützlich, lernt von Großmutter Frieda kochen und backen und schwänzt die Schule. Ihre Fehlstunden zählt sie nicht mehr. Stattdessen verbringt sie ganze Vormittage mit Büchern und Zigaretten. Maria liebt ‚Die Brüder Karamasow’ von Dostojewski und fühlt sich mit Gruschenka verbunden.

 

Eines Tages beschließen Johannes und Maria nach München zu fahren. Dort kauft sich Johannes eine teure Kamera und sieht fortan das Leben und Maria nur noch durch die Linse.

 

Maria begegnet dem charismatischen Henner vom Nachbarhof, auch er liebt die Literatur, und so fühlt sich Maria  von ihm auf unerklärliche Weise angezogen. Vom Alter her könnte er ihr Vater sein. Aber das stört sie nicht. Sie beginnt mit Henner einer Affäre die von Zärtlichkeit und zorniger Begierde geprägt ist. Sie kommt nicht mehr von ihm los und so ist die Lüge geboren. Sie belügt nicht nur Johannes, sie belügt auch seine Familie. Diese Heimlichkeiten belasten sie, sie schämt sich, weil die die Familie hintergeht, die sie so freundlich aufgenommen hat. Und trotzdem kann sie nicht anders.

 

Ich habe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen. Ein herausragender intensiver Debütroman. Die Autorin schreibt in einer wunderschönen bildhaften Sprache. Sie fängt Stimmungen ein wie ein Maler mit seinem Pinsel. Ich war mit Maria auf dem Hof, habe das Heu gerochen, die Mückenstiche gespürt, meine Muskeln schmerzten von der harten Arbeit, aß mit der Familie am Tisch und habe die Menschen beobachtet. Die Protagonisten sind liebevoll gezeichnet. Auch im Leben der Brendels lief nicht alles glatt. So hat auch Friedas Leben eine Lindenblattstelle.

 

Es herrscht Aufbruchstimmung und Verunsicherung. Was wird die Wiedervereinigung bringen? Der Westen schafft schon jetzt neue Begehrlichkeiten. So versteckt Marianne die Zeitschriften vor Siegfried. Und auch für die Töpfchen und Tiegelchen im Bad hat er nichts übrig.

 

Mein Fazit: Unbedingt lesen. Den Namen Daniela Krien wird man sich merken müssen. Ich bin schon jetzt ein Fan von ihr.

 

 

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