Schwache Heldin

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alasca Avatar

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Die große Schwäche dieses Buches ist – seine Protagonistin.  

Sie ist keine Handelnde, eher eine von den Ereignissen Geworfene. Das gesamte restliche Buchpersonal hat mehr Profil als sie. Johannes verliebt sich in sie; sie zieht, weil es gerade so passt, zu ihm auf den Hof seiner Eltern, denn ihre Mutter deprimiert sie ohnehin. Die Schule – sie geht nicht hin, so lange nicht, bis es wirklich keinen Sinn mehr macht. Henner begehrt sie – sie lässt sich von seinem Feuer entzünden. Er verlässt sie vermeintlich – sie findet sich, wenn auch schlimmst leidend, ab, ohne etwas zu unternehmen. Und am Ende kulminiert ihr Konflikt nicht durch ihr eigenes Handeln, sondern von außen. Schlussendlich zieht sie dem zielbewussten Johannes hinterher, nach Leipzig. Das schwache Bild eines Teenagers, der bestenfalls ein diffuses Unbehagen verspürt und sich eher dadurch positioniert, was er unterlässt, als das was er tut. Die neuen Freiheiten nach dem Mauerfall machen sie eher ratlos und wecken lediglich Konsumwünsche.

 

Unbehaglich als Leserin war mir auch – trotz glaubwürdig drastischer Schilderung – bei der Beziehung zwischen Henner und Maria. Die teils gewalttätige Intensität Henners hat auf die lauwarme Maria eine derartige Wirkung, dass sie bereit ist, massive Grenzüberschreitungen zu akzeptieren. Die Autorin lässt ihre Protagonistin diese Bereitschaft durch „Liebe“ erklären – mir drängte sich das Wort „Hörigkeit“ auf. Die parallele Lektüre der  „Brüder Karamasow“ weist in die gleiche Richtung: Offenbar ist unsere Heldin von der Leidenschaft der Charaktere gefesselt.

 

Was aber treibt Maria an? Henners lebenslange Frustration und Verbitterung durch das System ist durchaus schlüssig und erklärt den Zorn, der in seiner gewalttätigen Sexualität und seinem selbstzerstörerischen Verhalten zum Ausdruck kommt. Aber die Maria? Woher rührt ihre Unbestimmtheit? Nein, die Figur hat mich nicht überzeugt. Die Psychologie der Heldin bleibt oberflächlich, ist mir nicht verständlich geworden.

 

Die Darstellung des historischen Zusammenhangs fand ich wiederum gelungen. Die Jugendweihe zum Beispiel. Die Maria nicht mitmacht, weil die Oma das nicht will. Nachvollziehbar geschildert der Prozess der allmählichen Vereinnahmung Marias durch die Pioniere, bis sie sich vom Saulus zum Paulus gewandelt hat, oder eher umgekehrt. Oder die Verführbarkeit der Marianne durch die westliche Konsumwelt. Oder die „Zonen-Gabi“. Das fand ich interessant, das ist ein Blickwinkel, denn wir Wessis nicht kennen.

 

Ich habe diesen Roman durchaus gern gelesen. Mir gefiel vor allem der bildhafte, komprimierte Stil der Autorin, ihre Figuren sind lebendig und die Bühne, auf der sie agieren, stand mir lebhaft vor Augen. Aber am Ende habe ich das Buch dennoch enttäuscht aus der Hand gelegt. Okay. Na und? Berührt hat mich die Geschichte um die indifferente Maria nicht, eher irritiert.

 

Trotzdem bin ich gespannt, was wir von dieser Autorin als Nächstes lesen werden. Denn, liebe Daniela Krien, ich habe das Gefühl, das können Sie noch besser!