Running in the family

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murksy Avatar

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Wenn man so die anderen Rezensionen liest, frage ich mich manchmal, warum Menschen lesen? Mancher erwartet blutrünstige Gemetzel, mancher erotische Erzählungen, andere tiefgreifende, weltpolitische Statements. Und was erwartet man von einem Roman über eine ganze normal-wahnsinnige Familie? Gute Frage. Wer sich aber die Mühe macht, das Ganze aufmerksam und auch zwischen den Zeilen zu lesen, erkennt, dass dies nicht nur eine witzige Tagebuchgeschichte sein soll, sondern uns eine Familiengeschichte beschert, die mehr Wahrheit enthält, als mancher zugeben will. Aber um das Buch wirklich genießen zu können, muss eigentlich schon eine eigene Familie haben. Dann huscht einem beim Lesen das eine oder andere "Genau" über die Lippen.

Mo, die Hauptfigur der Geschichte ist die Kinderpsychologin, Mutter und gestresste Ehefrau, die sich manchmal von ihrem Mann etwas alleine gelassen fühlt, wenn es darum geht, das Chaos zu bewältigen. Ihre Verweigerungen gegenüber der modernen Technik (Computer) macht es ihr nicht gerade leicht, mit der störrischen Tochter Dora mithalten zu können, für die facebook so etwas wie Familienersatz geworden ist. (Nebenbei, wer diese Konstellation als unrealistisch beschreibt, sollte meine Familie kennenlernen, da gibt es welche OHNE Fernsehen...und denen geht es auch gut!!!!). Oscar, eigentlich Pete, ist ein ganz anderer Charakter. Er fühlt sich dem großen Oscar Wilde verbunden, träumt von Einstecktüchern und kann es nicht fassen, warum er in einer so durchschnittlichen Familie gefangen ist. Oma ist so etwas wie die gute Seele. Wer auch immer Probleme hat, geht zu ihr, bekommt leckeren Kuchen und Seelenbeistand. Dad, gibt es. Ist aber so ruhig, dass er nur einmal zu Wort kommt, als es darum geht, Dora vor den Gefahren des Lebens zu schützen.

Mo hat ihre Familie satt. Ihr Mann unterstützt sie nicht, ihre Tochter hasst sie, alles ein Trott. Mit fast fünzig will sie nocheinmal leben, begehrt sein, Lust verspüren. Da kommt Noel, der Assistent aus Neuseeland, gerade recht. Mo begibt sich auf gefährliches Pflaster. Statt mit der Tochter den 18. zu feiern, plant sie ein Techtelmechtel mit dem jungen Mann. Dora hingegegen hat sich bei einem Casting angemeldet, die neue Krankheit der Jugend, alle meinen singen zu können und wollen berühmt werden. Das erzählt sie natürlich niemand, da sie eh niemand mag oder für talentiert halten würde. Pete ist auch verliebt, auch in Noel. Das macht das Gefüge auch nicht leichter. Und so erzählt jede der Personen aus ihrer Sicht die Geschichte der Familie Battle. Hervorzuheben ist der angepasste Stil: Dora ist die Göre, die im modernen Slang über ihre Mutter herzieht, Oscar lebt in einem anderen Jahrhundert und die Mutter versucht sich ihrer Gefühlswelt klar zu werden.

So locker das Buch geschrieben scheint, mit teilweise überzogenen Situationen, so genau beschreibt es doch das alltägliche Familienchaos. Menschen, auf dem langen Weg der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens. Nicht halb so seicht, wie das manche Rezension wiedergibt.