Bilderbuchaufstieg und Naziwahnsinn

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Dieses Buch ist eine weitere beeindruckende Lebensgeschichte einer facettenreichen Person mit jüdischen Wurzeln. In ärmlichen Verhältnissen, als Ignaz, in Galizien gestartet, gelingt der Aufstieg zu Isidor, einem Mann mit Einfluß und Vermögen, einem Mitglied der Wiener High Society und seiner Beziehung zu einer später bekannt gewordenen Sängerin und Schauspielerin. Das klingt nach einer wunderbaren Lebensgeschichte, wären da nicht die dunklen Zeiten des Nationalsozialismus mit der gnadenlosen Verfolgung von jüdischen Menschen.
Der Autorin und Nachfahrin Isidors ist es auf ihrer Spurensuche gelungen, den Charakter und Teile des Lebenswegs Isidors sprachlich nachzuzeichnen. Ohne Pathos und dennoch nahegehend schildert sie Aufstieg und Fall ihres Vorfahren Isidor und auch ihres eigenen Großvaters Walter, der im Haus seines Onkels Isidor in den 30er Jahren ein und aus ging. Einem Haus voller Kultur, Kunst und Intellektualität.
Obwohl das Grauen der Vorkriegszeit, der Kriegszeit mit all ihren perversen Auswüchsen hinlänglich bekannt ist und es zahlreiche Bücher und Erzählungen dazu gibt, hat mich diese besondere Lebensgeschichte betroffen gemacht. Es ist für mich schwer nachvollziehbar, dass die verfolgten Menschen so lange blieben und hofften, die Zeit der Nazis schnell wieder vorbei. Ich finde die Erkenntnis immer wieder erschütternd, dass Menschen, die Schulkameraden, Nachbarn, Mitarbeiter, Kollegen, Kunden der jüdischen Menschen waren, diese Menschen also gut kannten, dennoch in der Lage waren diese zu verraten, sich zu bereichern oder sogar selbst zu schikanieren oder sich zumindest daran zu beteiligen. Wo sind denn diese Leute nach dem Krieg alle geblieben und haben sie ihren Kindern auch von sich und ihrem Verhalten erzählt und vielleicht stolz die gestohlenen Wertsachen weiter vererbt? Irgendwo werden Isidors Schätze ja noch sein.

Mein Fazit: „Isidor“ ist ein Buch das anregt zum Nichtvergessen, das mich als Leserin nachdenklich zurück lässt, aber auch mit dem Gedanken: „wehret den Anfängen“. Von mir daher eine absolute Leseempfehlung!