Ein wichtiges Buch

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Ein wichtiges Buch. "Ein jüdisches Leben" von Shelly Kupferberg ist ein wichtiges Buch. Kein Roman, sondern vielmehr das Ergebnis einer Frage an die eigene Familiengeschichte, der Versuch, Herkunft zu ergründen und schlussendlich eine individuelle Geschichte in Familien- und Zeitgeschichte einzubetten. Shelly betreibt Spurensuche. Über ihren Großvater Walter erfährt sie von Isidor, Walters Onkel, der es irgendwie geschafft hatte, sich aus ärmlichen Verhältnissen in Galizien hochzuarbeiten, hinein in einen mondänen Status innerhalb der Kulturmetropole Wien; Isidor hat seinen jüdischen Vornamen 'Israel' abgelegt, hat es zum Kommerzialrat Dr. Isidor Geller, Berater des österreichischen Staates, Multimillionär, Opernfreund und Kunstsammler geschafft; auf zwei gescheiterte Ehen folgt eine Liebesbeziehung zu einer ungarischen Sängerin. Der Bericht beeindruckt vor allem durch seine detaillierte Recherche und den Rückgriff auf Archivmaterial. Aber "Ein jüdisches Leben" ist weit mehr als lediglich die Rekonstruktion einer erstaunlichen Lebensgeschichte; die Einbettung in den historischen Kontext, die prägende Wirkung von Zeitgeschichte auf die individuelle Lebensgeschichte stechen besonders hervor: Der Anschluss Österreichs an Nazideutschland und die große Frage, die sich der zunehmend bedrohten und aus der Öffentlichkeit vertriebenen jüdischen Bevölkerung stellt - zu flüchten oder eine Form des sich Arrangierens zu finden. Ein Kontrast, welcher besonders gut herausgearbeitet ist, ist das Verhältnis der jüdischen, sehr der feinen Kultur verbundene Lebensart zu der grobschlächtigen Art der Nationalsozialisten. "Ein jüdisches Leben" ist ein Ausrufezeichen!