Familiengeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
hurmelchen Avatar

Von

Vorweg erst einmal dieses:
Ich schätze Shelly Kupferberg über alle Maßen, als Journalistin, kundige Literaturbegeisterte und Moderatorin, die ich bei zahlreichen Lesungen erlebt habe.
So war ich denn auch vor Freude aus dem Häuschen, als ich las, dass Kupferberg ein Buch geschrieben hatte.
Nicht nur irgendein Buch, nein, auch noch ein Buch, welches sich mit ihrer eigenen Familie und deren tragischem Schicksal in Wien zur Zeit des Dritten Reiches beschäftigt.
Diese Zeit treibt mich um, seit ich denken kann, und ich habe unzählige Sachbücher, Biografien, Autobiografien und auch fiktionalisierte Werke zu diesem Thema gelesen. Ich glaube, mich also relativ gut auszukennen, was diese Thematik angeht, und es fällt mir ungeheuer schwer, „Isidor- ein jüdisches Leben“ nicht zu bejubeln.
Ich wollte diese Buch lieben und preisen, aus all den eingangs erwähnten Gründen und jetzt ist es mir geradezu peinlich, dass das Buch es nicht vermochte, mich zu begeistern…

Shelly Kupferberg setzt ihrem Urgroßonkel Isidor Geller, einem Wiener Millionär und Gentleman, einem Selfmademan, Liebhaber von Kunst, Musik und schönen Frauen, ein Denkmal.
Dieser Isidor Geller, aus einem Schtetl in Galizien kommend, lässt seine jüdische Herkunft dort zurück und steigt in die Wiener Society auf. Auch seine Geschwister machen in Wien ihr Glück. Keiner rechnet damit, dass die Nationalsozialisten diesem Traum vom sozialen Aufstieg und Erfolg brutal ein Ende machen.
Isidors Neffe Walter, Shelly Kupferbergs Großvater, schafft die Flucht nach Palästina und so kann seine Enkelin Jahrzehnte später die Geschichte der Familie zu Papier bringen.
Ja, diese Geschichten sind wichtig, gerade heute, wo sich weltweit die Tendenz zum menschenverachtenden Nationalismus breit macht.
Aber leider bietet das Leben Isidor Gellers eigentlich zu wenig, um daraus mehr, als eine symptomatische Familien - Historie zu machen. So ist „Isidor“ dann auch ein eher schmales Bändchen, welches natürlich erschüttert und betroffen macht, aber in seiner Anlage eher oberflächlich bleibt.
Shelly Kupferberg schreibt anschaulich und emphatisch, aber die Geschichte hallt nicht nach.
Vielleicht ist es ungerecht von mir, „Isidor“ Seite um Seite mit Edmund de Waals „ Der Hase mit den Bernsteinaugen“ zu vergleichen, einem Buch, das seit ich es las, mit mir ist. Auf dessen Spuren ich mich in Wien begab, das zur gleichen Zeit und in der gleichen Gesellschaft angesiedelt ist, wie „Isidor“, das ich jedem Freund und Bekannten ans Herz lege.
Der Hase mit den Bernsteinaugen hat mein Herz erobert, Isidor hat es nur gestreift…