"Mein Urgroßonkel war ein Dandy. Sein Name war Isidor. Oder Innozenz. Oder Ignaz. Eigentlich aber hieß er Israel."

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mazapán Avatar

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Shelly Kupferberg findet alte Briefe und Fotos auf dem Dachboden des Hauses ihrer Großeltern in Tel-Aviv. Dieser Fund inspiriert sie dazu, die Geschichte ihrer Familie zu schreiben. Am interessantesten findet sie das, was ihr Großvater über einen reichen Onkel, Isidor genannt, im Wien vor dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Also hofft sie, auf diesem Dachboden mehr zu finden, womit sie dieser Figur etwas Leben einhauchen kann. So viel ist aber nicht dabei, aber nach langer und gründlicher Recherche schafft Shelly Kupferberg es, Isidors Leben zu rekonstruieren. Das Ergebnis ist "Isidor", die spannende Biografie eines Mannes, der mit starkem Willen, großer Geschicklichkeit und mit einer Fähigkeit, die richtigen Kontakte zu knüpfen, einen festen Platz in der Wiener Gesellschaft erobert hat.

Eigentlich unterscheidet sich Isidors Biografie nicht zu sehr von anderen Biografien von ehrgeizigen Menschen, die sich aus einer prekären Lage aus eigener Kraft befreit und unter schwierigen Umständen viel erreicht haben. Aber Isidor war Jude, und das bedeutet, dass sein Erfolgsweg doch etwas steiniger war als bei den meisten erfolgreichen Nichtjuden, die in der selben Zeit gelebt haben wie er.

Shelly Kupferbergs Großonkel Isidor ist die Personifizierung dieser Juden und Jüdinnen, die so viel Geld und Einfluss hatten, dass sie der völligen Überzeugung waren, dass ihnen nach der Machtübernahme seitens der Nationalsozialisten nichts passieren würde. Ob es eine naive Sichtweise oder sogar eine arrogante Haltung war, was sie gehindert hat, die echte Gefahr einzuschätzen, darauf gibt Kupferberg keine Antwort. Aber ihr Buch um ihre eigene Familie, insbesondere um Isidor, hat mich sehr berührt, und es hat mich auch sehr unterhalten. Über dieses Leben in einem scheinbar sehr toleranten Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem Kunst und Kultur eine wichtige Rolle spielten, zu lesen, hat mir sehr gut gefallen.

Und zu dem auf dem Buchcover abgebildeten Reh gibt es auch eine schöne Geschichte…