Geburtsvorbereitung der anderen Art

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
roomwithabook Avatar

Von

Issa ist schwanger – ungeplant, und entsprechend groß ist das Gefühlschaos, in das sie gestürzt wird. Ihr weißer Freund in Frankfurt will am liebsten heiraten, doch dadurch fühlt sie sich unter Druck gesetzt. Ganz gegensätzlichen Druck üben ihre Mutter und ihr Stiefvater auf sie aus, die es am besten fänden, wenn sie das Kind gar nicht erst bekäme. Und wenn doch, so soll sie möglichst sofort nach Kamerun fliegen, um dort die notwendigen Rituale durchführen zu lassen, die sie eigentlich schon vor dem Schwangerwerden hätte machen müssen. In Kamerun wird Issa von ihrer großen Familie empfangen, von ihrer Oma und ihrer Uroma, dazu gibt es jede Menge Cousins und Cousinen und einen etwa gleichaltrigen Onkel, mit dem sie die ersten Jahre aufgewachsen ist. Und doch fühlt sie sich fremd dort, zu weiß, zu wenig sicher in der Sprache und in den örtlichen Gepflogenheiten. Und dass ihr ständig gesagt wird, sie solle in der Öffentlichkeit möglichst nichts sagen, um die Preise nicht nach oben zu treiben, hilft auch nicht unbedingt bei der Eingewöhnung. Trotzdem beginnt sie mit den erforderten Ritualen, an die sie eigentlich nicht glaubt. Doch nach und nach lässt sie sich darauf ein und beginnt sich zu fragen, was sie eigentlich selbst will. Mirrianne Mahn verknüpft Issas Geschichte mit den Geschichten der Frauen, die vor ihr kamen: ihre Ururgroßmutter Enanga, ihre Urgroßmutter Marijoh, ihre Großmutter Namondo und ihre Mutter Ayudele. Die dazugehörigen Männer kommen auch vor, nehmen aber recht wenig Raum ein, denn sie sind hier nur nebensächlich. Mahn erzählt anhand dieser Frauen viel mehr als nur eine Familiengeschichte, es geht auch um die Geschichte Kameruns, das erst von den Deutschen kolonialisiert wurde, dann von den Franzosen und Engländern, es geht um Rassismus und Sexismus, die Unterdrückungsmechanismen des Patriarchats, um Polygamie und Ausbeutung. Trotz all dieser schweren Themen wird das Buch von der Solidarität und Liebe der Frauen untereinander getragen. Ich bin Issa jedenfalls sehr gern auf ihrem Weg gefolgt und fand es sehr gelungen, wie die Autorin die Auswirkungen der verschiedenen Gewalterfahrungen auf die nachfolgenden Generationen deutlich gemacht und trotzdem einen Text geschrieben hat, der auch Leichtigkeit und Humor transportiert. Ein gelungenes Debüt, das ich sehr empfehlen kann!