"ich trage viele in mir" - "Issa" und die Schicksale ihrer Mütter
An sich bin ich jeher ein großer Fan von Familiengeschichten, die sich über mehrere Generationen erstrecken. Dieser lebendige und emotionale Blick auf die Geschichte, Schicksale und Werdegänge finde ich einfach wahnsinnig spannend, zumal verschiedene Perspektiven, Ansichten und Handlungen, wie ihre Folgen stets andere Sichtweisen zutage fördern. Mirrianne Mahn fokussiert sich in "Issa" z.B. mehr auf die starken Frauen einer Familie, die sich von der Unterdrückung ihrer Männer befreien, und erzählt von den großen, gewichtigen Themen, die im eurozentrischen Geschichtsunterricht gerne mal vergessen werden - Kolonialismus, Ausbeutung, die Entwicklung Kameruns in den letzten hundert Jahren, sowie das Leben Schwarzer. Aber eins nach dem anderen, denn dieser Roman beginnt 2006 mit einer schwangeren Frau, namens Issa, die in einem Flieger nach Douala sitzt. In Kamerun erwarten sie dann nicht nur ihre Omas und der restliche Teil der Familie, sondern auch verschiedene Glaubensrituale. "Der heilsame Weg der Rituale", die nun alle vor der Geburt des Kindes unbedingt nachgeholt werden müssen und die sie auf Drängen ihrer Mutter über sich ergehen lassen will.
"Ich kam nach Kamerun, um einer Zukunft zu entgehen, bei der ich mir nicht sicher war, ob ich sie wirklich wollte. Mutter, Vater, Kind. Heiraten, alles perfekt. Aber so fühlte es sich nicht an. Gestern konnte ich zum ersten Mal meine Zukunft fühlen, eine Zukunft, die ich gestalte, und ich hatte eine Ahnung davon, wer ich bin. [...] Inmitten des Labyrinths meiner Gedanken finde ich endlich Klarheit. Ich muss mich nicht zwischen meinen Wurzeln, meiner Herkunft und meinem Leben in Deutschland entscheiden.[...] Ich will meine Wurzeln feiern und gleichzeitig meine Flügel ausbreiten."
Der Weg zur Erkenntnis ist allerdings kein einfacher, die Traditionen und Glaubensfragen, sind etwas spezieller und dieses gewisse Gefühl der Fremdheit, welches sie auch in Deutschland immer wieder begleitet, ist zunächst auch hier präsent - in Frankfurt zu Schwarz, in Buea zu deutsch. Und dieser Weg führt vorbei an der Familiengeschichte, an den Leben und Erzählungen über die Mütter und Großmütter ihrer Familie, ihr Kampf um Freiheit, Liebe und Selbstbestimmung.
Es dauerte eine Weile, bis ich in diese Geschichte hineingefunden habe. Issa war mir anfangs etwas zu nervig und viel zu anstrengend, auch dieses Problem mit ihrem Freund und der Mutter interessierten mich so gar nicht und der zweite Erzählstrang mit den Zeitsprüngen in die Jahre 1903, 1908, 1918 usw., sowie die ganzen Namen dieser großen Familie überforderten mich. Aber im Verlauf der Geschichte, etwa ab dem vierten Kapitel, und dieser gewissen steten Dramatik, machte es auf einmal Klick und ich war fasziniert bis erschüttert von der geschilderten Polygamie, dem Leben innerhalb eines Stammes, dem Schicksal der Frauen, die gefangen waren durch die vorhandene Traditionen und Ränge, erwartete Unterwürfigkeit und Aufopferung. Ihanna, Enanga, Marijoh, Namondo, Ayudele... sie alle haben Kämpfe hinter sich, teils gewonnen, viel verloren, immer wieder Mut und Stärke bewiesen; Kampfgeist für ihre Kinder.
"... wir leben in einer Welt, in der Frauen nun mal dafür da sind, die Probleme von Männern zu lösen. Sie sehen uns nicht als Menschen oder als ebenbürtig an, sondern behandeln uns so, als könnten sie uns nach Belieben verschenken und austauschen."
Und das fand zeitweise wirklich krass. Auch die Entwicklung, von dieser wütenden Unzufriedenheit, dem Unterordnen bis hin zum Aufbäumen gegen die Männerwelt, hin zur Selbstbestimmung und dieser klaren Kante, bis hier hin und nicht weiter. Und diesen Kampf um das eigene Leben oder das der Kinder irgendwie in jeder Generation wiederzufinden... puh.
Den zweiten Erzählstrang mit Issa und diesen ganzen Ritualen habe ich nach einer Weile ähnlich gern gelesen. Auch sie macht eine Entwicklung durch, taut etwas auf und lässt mehr Nähe zu. Am Ende mochte ich sie eigentlich ganz gern und hätte mir sogar gewünscht noch deutlich mehr über sie und ihre Rückkehr lesen zu können. Der Epilog war mir etwas zu kurz und doch wahrscheinlich genau richtig, denn so blieben beschäftigten mich Issa und die ihre Vorfahren noch eine ganze Zeit. Dieses ganze Leid, die Traumata, diese Wut... dieses stete Auf und Ab an Gefühlen beim Lesen und diese intensiven Geschichten/Rückblicke haben mich mitgerissen und begeistert. Ein sehr starkes, vielschichtiges und beeindruckendes Debüt. (Und auch ein sehr interessanter, wie erbaulicher Umgang mit dem Tod.)
"Ich kam nach Kamerun, um einer Zukunft zu entgehen, bei der ich mir nicht sicher war, ob ich sie wirklich wollte. Mutter, Vater, Kind. Heiraten, alles perfekt. Aber so fühlte es sich nicht an. Gestern konnte ich zum ersten Mal meine Zukunft fühlen, eine Zukunft, die ich gestalte, und ich hatte eine Ahnung davon, wer ich bin. [...] Inmitten des Labyrinths meiner Gedanken finde ich endlich Klarheit. Ich muss mich nicht zwischen meinen Wurzeln, meiner Herkunft und meinem Leben in Deutschland entscheiden.[...] Ich will meine Wurzeln feiern und gleichzeitig meine Flügel ausbreiten."
Der Weg zur Erkenntnis ist allerdings kein einfacher, die Traditionen und Glaubensfragen, sind etwas spezieller und dieses gewisse Gefühl der Fremdheit, welches sie auch in Deutschland immer wieder begleitet, ist zunächst auch hier präsent - in Frankfurt zu Schwarz, in Buea zu deutsch. Und dieser Weg führt vorbei an der Familiengeschichte, an den Leben und Erzählungen über die Mütter und Großmütter ihrer Familie, ihr Kampf um Freiheit, Liebe und Selbstbestimmung.
Es dauerte eine Weile, bis ich in diese Geschichte hineingefunden habe. Issa war mir anfangs etwas zu nervig und viel zu anstrengend, auch dieses Problem mit ihrem Freund und der Mutter interessierten mich so gar nicht und der zweite Erzählstrang mit den Zeitsprüngen in die Jahre 1903, 1908, 1918 usw., sowie die ganzen Namen dieser großen Familie überforderten mich. Aber im Verlauf der Geschichte, etwa ab dem vierten Kapitel, und dieser gewissen steten Dramatik, machte es auf einmal Klick und ich war fasziniert bis erschüttert von der geschilderten Polygamie, dem Leben innerhalb eines Stammes, dem Schicksal der Frauen, die gefangen waren durch die vorhandene Traditionen und Ränge, erwartete Unterwürfigkeit und Aufopferung. Ihanna, Enanga, Marijoh, Namondo, Ayudele... sie alle haben Kämpfe hinter sich, teils gewonnen, viel verloren, immer wieder Mut und Stärke bewiesen; Kampfgeist für ihre Kinder.
"... wir leben in einer Welt, in der Frauen nun mal dafür da sind, die Probleme von Männern zu lösen. Sie sehen uns nicht als Menschen oder als ebenbürtig an, sondern behandeln uns so, als könnten sie uns nach Belieben verschenken und austauschen."
Und das fand zeitweise wirklich krass. Auch die Entwicklung, von dieser wütenden Unzufriedenheit, dem Unterordnen bis hin zum Aufbäumen gegen die Männerwelt, hin zur Selbstbestimmung und dieser klaren Kante, bis hier hin und nicht weiter. Und diesen Kampf um das eigene Leben oder das der Kinder irgendwie in jeder Generation wiederzufinden... puh.
Den zweiten Erzählstrang mit Issa und diesen ganzen Ritualen habe ich nach einer Weile ähnlich gern gelesen. Auch sie macht eine Entwicklung durch, taut etwas auf und lässt mehr Nähe zu. Am Ende mochte ich sie eigentlich ganz gern und hätte mir sogar gewünscht noch deutlich mehr über sie und ihre Rückkehr lesen zu können. Der Epilog war mir etwas zu kurz und doch wahrscheinlich genau richtig, denn so blieben beschäftigten mich Issa und die ihre Vorfahren noch eine ganze Zeit. Dieses ganze Leid, die Traumata, diese Wut... dieses stete Auf und Ab an Gefühlen beim Lesen und diese intensiven Geschichten/Rückblicke haben mich mitgerissen und begeistert. Ein sehr starkes, vielschichtiges und beeindruckendes Debüt. (Und auch ein sehr interessanter, wie erbaulicher Umgang mit dem Tod.)