Intensives Familienportät!

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»Ist es die menschliche Sehnsucht nach etwas Größerem, einer höheren Macht, die uns in schwierigen Zeiten beisteht? Das ist vielleicht der Grund, warum es so viele Geschichten von Wundern und göttlichen Erscheinungen gibt« (S. 140)
🌊🧚🏾‍♀️

Durch einen bösen Traum steht für Issas Mutter Ayudele fest, ihre schwangere Tochter muss von Frankfurt nach Kamerun reisen, um Rituale durchführen zu lassen, da es die Tradition so fordert. Während Ayudele keine Kosten und Mühen scheut, fügt sich Issa nur widerwillig den Forderungen ihrer Mutter. Sie gibt schließlich klein bei, da das Verhältnis zu ihrer Mutter sowieso angespannt ist und macht bei dem, in ihren Augen, Hokuspokus mit.
Während ihres Aufenthalts in Kamerun verbringt Issa viel Zeit mit den dort lebenden Familienmitgliedern, wie etwa ihrer Ur-Oma Marijoh oder ihrem gleichaltrigen Onkel Georg.

»ISSA« porträtiert die Geschichte einer Familie, in der die weiblichen Figuren im Vordergrund stehen. Das Porträt reicht von der schwangeren Issa bis hin zu ihrer Ur-Ur-Oma Enanga, die wie Issa ebenfalls einen großen Erzählanteil im Buch erhält. Geschickt und mit eindringlichen Passagen verknüpft die Autorin Mirrianne Mahn die Schicksale der fünf Frauen miteinander und gibt ihnen eine starke Stimme, welche in die jeweilige Zeit passt. Beachtet wird hierbei auch die politische Dimension.

»Sie [Nando, Issas Oma] dachte darüber nach, wie Frauen von Kindesbein an darauf gedrillt wurden, Dinge zu tun, die sie nicht wollten, und wie ihnen oft nicht einmal erlaubt wurde, in Ruhe Fehler zu machen. Frauen wurden gelenkt, geformt und kontrolliert« (S. 256).

Kaum zu glauben, dass dieses Buch ein Debüt ist! Ich war von der ersten Seite an gefesselt. Das Buch greift sehr viele Themen auf – deutsche Kolonialgeschichte, Identitätssuche, Freund:innenschaft, Generationskonflikte, …


Dabei verliert sich Mirrianne Mahn nicht in einzelnen Themen, sondern lässt diese auf eine lockere Art und teilweise erfrischender Situationskomik durch Protagonistin Issa mit in die Geschichte einfließen. Durch diesen facettenreichen Mix gab es für mich viele Emotionen, ganz unterschiedlicher Natur, mit denen ich durch das Buch gegangen bin. Am Ende habe ich sogar ein bisschen geweint, weil ich so überwältigt war.

Issa stößt in ihrem Leben immer wieder an vermeintliche Grenzen ihrer eigenen Zugehörigkeit. Geboren in Kamerun, aber in der frühen Kindheit nach Frankfurt gezogen, fühlt sie sich in Deutschland durch den Alltagsrassismus unwohl. Gleichzeitig sind ihr viele Bräuche und Eigenheiten in Kamerun fremd. Die geografischen Stopps in Issas Leben ähneln die der Autorin Mirrianne Mahn.

Beeindruckt hat mich auch die Entwicklung, die Mirrianne Mahn ihrer Figur Issa ermöglicht. Während Issa sich zu Beginn des Romans als Tochter sieht und ihrer Mutter selbst die Rolle der Tochter nicht zuschreibt, ändert sich diesbezüglich sehr viel, doch ich möchte hier nicht zu viel vorwegnehmen.

Auch wenn ich das Buch bereits vor ein paar Tagen ausgelesen habe, so ist mir die Geschichte um Issa und ihre Vorfahrinnen sehr präsent in Erinnerung geblieben.
Dieses emotional eindringliche Buch sollte unbedingt gelesen werden.

Abgerundet wird der Roman durch das wunderschöne Cover, der geografischen Karte, einem Glossar mit Übersetzungen und einem Stammbaum!


CN: Kolonialismus, Vergewaltigung, Tod, Trauer, Sterben.