Ein leiser, kluger Auftakt

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milkaschokolade11 Avatar

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Das Cover von „Ja, nein, vielleicht“ von Doris Knecht hat sofort mein Interesse geweckt: farbenfroh, kunstvoll, gleichzeitig zurückhaltend – wie eine Einladung zum genauen Hinsehen. Die Leseprobe beginnt mit einem banalen Zahnarztbesuch und entfaltet sich überraschend schnell zu einem eindrücklichen, tiefgründigen Selbstporträt einer Frau in der zweiten Lebenshälfte.

Der Schreibstil hat mich vom ersten Satz an abgeholt: nüchtern, lakonisch, zugleich voller Emotionen, ohne je pathetisch zu werden. Doris Knecht schafft es, Gedanken, Erinnerungen und Alltagsbeobachtungen so kunstvoll zu verweben, dass ich als Leserin mühelos eintauche. Die innere Zerrissenheit der Protagonistin, ihre Reflexion über Vergänglichkeit, über Verantwortung, über Freiheit – das alles ist so nahbar und lebensklug erzählt, dass ich ständig das Gefühl hatte, mit ihr in ihrer Küche zu sitzen oder durch den Garten zu streifen.

Der Spannungsbogen lebt hier nicht von äußeren Dramen, sondern von leisen Fragen: Wie lebt man weiter, wenn man nicht mehr „jung“ ist? Was bleibt von Träumen? Wie viel Raum gibt man anderen – besonders der Familie – und wie viel nimmt man sich selbst?

Ich finde es sehr erfrischend, dass hier keine überromantisierte Midlife-Crisis beschrieben wird, sondern ein ungeschöntes, oft ironisches, immer reflektiertes Bild einer Frau, die nicht alles im Griff hat – und gerade deshalb so greifbar ist. Auch die angedeutete Liebesgeschichte mit Friedrich wirft spannende Fragen auf: Will man in diesem Alter überhaupt nochmal jemanden so nah an sich heranlassen?

Ich möchte dieses Buch unbedingt weiterlesen – weil es ehrlich, humorvoll und tiefgründig ist. Und weil ich mich in vielen Gedanken wiedererkenne – als Frau, als Mutter, als Mensch zwischen Aufbruch und Abschied.