Zwischen Zahnverlust und Selbstfindung – klug, witzig, schonungslos ehrlich

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lukasp Avatar

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Die Leseprobe zu Doris Knechts neuem Roman Ja, nein, vielleicht zeigt einmal mehr, wie meisterhaft die Autorin Alltag, Alter und innere Umbrüche in präzise, oft bitterkomische Sprache fasst.

Im Mittelpunkt steht eine Frau Anfang/Mitte fünfzig, deren Leben sich neu sortiert – weil die Kinder ausgezogen sind, weil der Körper nicht mehr reibungslos funktioniert (ein Zahn ist wortwörtlich „nicht mehr zu retten“) und weil plötzlich Fragen auftauchen, die lange verdrängt wurden: Bin ich bereit, mein gutes Leben mit jemandem zu teilen? Muss ich das überhaupt?

Was in anderen Händen dramatisch oder weinerlich geraten könnte, wird bei Knecht zu einem literarischen Selbstgespräch voller Widerstand, Witz und tiefer Ehrlichkeit. Das Zahnproblem steht dabei symbolisch für das große Thema des Romans: die Endlichkeit – körperlich, emotional, biografisch.

Die Leseprobe lebt von ihrer Beobachtungsschärfe, ihrer selbstironischen Ich-Erzählerin und den allzu bekannten Dynamiken in Familien, vor allem zwischen Schwestern. Der Ton ist lakonisch, wütend, manchmal müde, aber nie larmoyant. Besonders stark: die Überlagerung von äußerem Chaos (Zahnarzt, Wohnung, Schwester, Risse im Haus) mit inneren Rissen, die nicht so leicht zu kitten sind.

Wer Doris Knecht kennt, wird hier sofort andocken. Wer sie noch nicht kennt, wird feststellen: So kann Literatur auch klingen – klug, verletzlich, aufrichtig.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Ein scharfsinniger Romanauftakt über das Älterwerden, Autonomie und die Zumutungen der eigenen Biografie – schmerzhaft ehrlich, leise rebellisch.