Gehört in jeder Tasche

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bĂĽcherwurm123 Avatar

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🌿 Rezension: Ja, nein, vielleicht
Doris Knecht erzählt in ihrem Roman mit feinem, ironischen Unterton von einer Frau um die Fünfzig – eine frühberufene Schriftstellerin, geschieden, mit erwachsenen Zwillingskindern, die zwischen Stadtwohnung und einem idyllischen Häuschen auf dem Land pendelt. Ein scheinbar ruhiges Leben – bis zwei unerwartete Ereignisse ihr Gleichgewicht ins Wanken bringen: ein schmerzender Backenzahn und die spontane Rückkehr ihrer Schwester in die Stadtwohnung.

Beides, das gesundheitliche Wehwehchen und die familiäre Klemme, fungiert bei Knecht als zarte Seismographen der Midlife-Crisis: Kleine Risse, die eine Reflexion über Altern, Vergänglichkeit und Gemeinschaft auslösen. Die Protagonistin fragt sich, ob ihr gut eingespieltes Leben stark genug ist, um eine neue Liebe hereinzulassen – als sie im Supermarkt auf Friedrich trifft, einen Jugendfreund, den sie einst liebte, stellt sie sich die Frage: „Bin ich bereit, mein inneres Gleichgewicht gegen die Unsicherheit einer neuen Beziehung einzutauschen?“
đź’¬ Stil & Ton
Knechts Erzählweise ist lebensklug und entspannt: Sie schreibt aus der Ich-Perspektive, direkt, mit einem liebevollen Augenzwinkern gegenüber ihrer Heldin. Der Ton wechselt mühelos zwischen lakonischem Humor, ehrlicher Verletzlichkeit und tiefgehender Reflexion – ganz so, als würde man einer klugen Freundin beim Nachdenken zuhören .
⚖️ Themen & Figuren
• Selbstbestimmung vs. Verbundenheit
Die Ich-Erzählerin befindet sich in einem Balanceakt zwischen Selbstgenuss (Landleben, Hund, Freiräume) und Familie: der wiederkehrenden Schwester und der urplötzlichen Frage nach einer neuen Liebe .

Die Beziehung zu insgesamt vier Schwestern entwickelt sich zum überraschenden emotionalen Motor der Geschichte. Die Autorin schafft es, familiäre Reibungsnerven so humorvoll wie erkenntnisreich auszuloten .

✨ Fazit
Ein Buch, das gängige Erzählmuster über Frauen in der Lebensmitte entschärft: Statt in die Krise oder Einsamkeit zu kippen, eröffnet sich spielerisch ein Panorama der Freiheit, in dem man riskiert, Altes loszulassen, um Neues zu entdecken. Kein Drama, kein Kitsch – sondern eine warmherzige, kluge Abrechnung mit dem, was wir für unabänderlich halten.

Ich wĂĽrde es jedem weiterempfehlen.