„Ich lebe in einer Schleife, in meinen eigenen Wiederholungen“

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juma Avatar

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Doris Knecht hat es wieder getan, einen Roman geschrieben, der wie ein Perpetuum Mobile der Gedanken funktioniert. Eigentlich schade, dass ihr Landsmann Wolf Haas am Jahresanfang schon sein neues Buch „Wackelkontakt“ genannt hatte, für „JA, NEIN, VIELLEICHT“ hätte das auch gepasst.
Nachdem ich im letzten Jahr „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ gelesen und mich gut amüsiert habe, erwartete ich den neuen Roman mit großer Vorfreude. Viele Protagonisten sind wieder da, das Ensemble erweitert sich aber zusehends. Die Ich-Erzählerin ist eine Schriftstellerin, schon ein bisschen angegraut, geschieden, ewig alleinstehend, die Zwillinge Max und Mila längst ausgezogen. Sie – die Schriftstellerin – schreibt an einem Buch über eine Schriftstellerin, die in eben jener Schleife feststeckt, die der Schriftstellerin das Leben schwer und manchmal auch leicht macht. Ihre zwei Zwillingsschwesternpaare kennt man ebenso wie die Eltern. Sie schreibt „Wir pflegen ein fröhliches, liebevolles Verhältnis miteinander, wir reden nicht über Sachen, die unseren Frieden gefährden könnten, und es funktioniert.“ Das ist eine Formel, nach der in vielen Familien der Friede gewahrt wird.
Was geschieht in diesem Buch? Vor allem Zahnschmerz, Herzschmerz und Seelenschmerz. Zudem benötigt Schwester Paula ein Ausweichquartier, wofür sie unter allen Möglichkeiten die winzige Wohnung der Schriftstellerin erwählt. Diese, und auch die in ihrem Buch, haben das Glück eines Hauses auf dem Land, wohin sie sich mit dem Hund, Name Mulder, zurückzieht. Und dann passiert es, sie sieht Friedrich, den Ex-Lover von vor 25 Jahren, im Supermarkt. Es kommt ein bisschen Kribbeln zurück, aber er ist unangenehmste Kandidat auf der Liste der Freunde im weiteren Sinne, wäre er mir (wieder-)begegnet, ich hätte ihn schnurstracks in Whatsapp und auch sonst blockiert.
Und so bewegen sich die Schriftstellerin, die Freunde und die Protagonisten in ihrem Buch wie in einem Tanz der Glühwürmchen ums Licht. Wahrscheinlich wird nur Therese am Glück nippen, wenn sie dann mit Eddie verheiratet ist, für die Ich-Erzählerin gibt es ganz nebenbei noch einen Stoß in die Magengrube, als Paulas Zwillingsschwester Alexandra auftaucht und den nur ihr zustehenden Platz beansprucht. Da merkt selbst die Schriftstellerin, dass ihre Schulter zum Anlehnen nur temporär wichtig ist. Im schlimmsten Fall erntet sie Mitleid, aber ihre aufgeschürfte Seele muss sie immer noch selbst verarzten.
Das Cover dieses Buches ist wunderschön, und vermittelt zwischen den einsamen, zweisamen, verrückten und beängstigenden Szenen im Buch, das auch ein Buch über bedingungslose Freundschaft und absolute Selbstbestimmung ist. Nicht nur "Denken ist solitär", Leben und Lieben ist es auch.
„… mir reicht’s jetzt.“ ist zwar ein Zitat aus dem Buch, aber noch ein drittes über diese Schriftstellerin möchte ich nun wirklich nicht mehr lesen. Vielleicht findet Doris Knecht ein anderes spannendes Thema, denn ihr Schreibstil gefällt mir und ich hätte Lust auf etwas Neues.