Klug, lebensnah, leise und dennoch stark
„Am nächsten Morgen wache ich auf und finde mich plötzlich wieder an diesem inneren Ort, an den ich nie wieder hinwollte: an dem Ort, wo ich die Nachricht eines Mannes erhoffe.“
Die Protagonistin in Doris Knechts neuen Romans „Ja, nein, vielleicht“ ist genau an diesem Punkt im Leben. Die Kinder sind aus dem Haus, die geschiedene Ehe war nie etwas ganz Großes, Bedeutendes, sie hat sich mit Mitte 50 in ihrem Leben eingerichtet - und sie zweifelt am Konzept der wahren Liebe und hat eigentlich damit abgeschlossen. Vielleicht wünscht sie sich noch Nähe, ja. Aber einen Mann dauerhaft in ihr durchstrukturiertes, selbstbestimmtes Leben zu lassen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
„Ich glaube, dass die romantische Liebe schädlich für ist, nicht nur für mich, für die meisten Frauen, sie schwächt uns, sie gaukelt uns eine falsche Sicherheit vor, sie raubt uns unsere Freiheit und Unabhängigkeit.“
Doris Knecht gelingt mit „Ja, nein, vielleicht“ ein Roman, der sich leise, aber eindringlich mit den Möglichkeiten (und Grenzen) von Nähe, Intimität und Selbstbestimmung auseinandersetzt.
Was mich besonders beeindruckt hat, ist die Authentizität der Figuren, insebsondere der namenlosen Protagonistin. Ihre Gedanken, ihre Skepsis, ihre leisen Sehnsüchte und gleichzeitig ihre Lust an der Freiheit sind so nachvollziehbar und lebensnah, dass man sich oft selbst ertappt fühlt oder mit stiller Zustimmung nickt. Knecht schreibt in einem brillanten Ton, klar und unaufgeregt, dabei immer wieder poetisch und pointiert. Die Dialoge, die Beobachtungen, die kleinen Episoden – sie alle wirken wie aus dem echten Leben gegriffen.
Gerade diese Unaufgeregtheit ist gleichzeitig Stärke und mögliche Schwäche des Romans. Die Handlung entwickelt sich eher episodenhaft, große Spannungsbögen fehlen. Wer also nach einem dramatischen Plot sucht, wird hier möglicherweise nicht ganz abgeholt. Doch gerade diese stille Konsequenz macht das Buch so glaubwürdig. Es geht hier nicht um das große Drama, sondern um das viel realistischere Dazwischen.
„Ja, nein, vielleicht“ ist ein Buch über Frauen, die sich selbst genügen dürfen – und über die Freiheit, Entscheidungen auch offen zu lassen. Ein kluges, stilles Buch, das nachhallt.