Lebenskluge und humorvolle Geschichte mit Tiefgang

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monika85 Avatar

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Nachdem ich "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" der österreichischen Autorin Doris Knecht mit großer Begeisterung gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihr neues Buch "Ja, nein, vielleicht". Meine Erwartungshaltung war sehr hoch - und ich wurde nicht enttäuscht!

Im Mittelpunkt der in der Ich-Form erzählten Geschichte steht eine namenlose Autorin Ende fünfzig, die nie geheiratet hat und deren Kinder, die Zwillinge Mila und Max, bereits ausgezogen sind und ihr eigenes Leben führen. Sie ist erschüttert, als ihr Zahnarzt ihr sagt, dass einer ihrer Backenzähne nicht zu retten ist und gezogen werden muss. Der Gedanke, sich mit dem Älterwerden abzufinden, nagt an ihr, fühlt sie sich doch heute fitter als früher. Ein zweites Problem bahnt sich an, als ihre jüngere Schwester Paula sie bittet, wegen einer beruflichen Fortbildung einige Tage in der Stadtwohnung der Protagonistin wohnen zu dürfen. Zähneknirschend willigt diese ein, sie hat ja noch das kleine Haus auf dem Land, in das sie sich zurückziehen kann. Vollkommen überraschend läuft ihr dann auch noch nach 24 Jahren Friedrich im Supermarkt über den Weg. Die beiden pflegten damals ein lockeres und unverbindliches Verhältnis, das irgendwann endete, einfach so. Bald schon fragt sie sich, ob sie wirklich bereit ist, ihr behagliches Leben Friedrich zuliebe aufzugeben, schließlich ist sie doch zufrieden mit ihrem selbstbestimmten Leben, sie hat ihren Seelenfrieden und genießt ihre Unabhängigkeit ...
 
Wie bereits das Vorgängerbuch, so hat mich auch dieser lebenskluge Roman von der ersten Seite an mitgerissen und begeistert. Ich mag die intelligente Sprache und den Erzählstil der Autorin sehr, und ich bin gern in das Leben und die Gefühls- und Gedankenwelt der Ich-Erzählerin eingetaucht. Mit viel Empathie skizziert Doris Knecht ihre Protagonistin ganz wunderbar, mit ihrer unnachahmlichen Beobachtungsgabe und feinem Humor schildert sie ihren Alltag, die stressigen Vorbereitungen für die Hochzeit der besten Freundin, die Zahnbehandlungen und die Begegnungen mit ihrer Familie, ihren Freunden - und Friedrich.
 
Das Buch mit dem wunderschönen und farbenfrohen Cover beschreibt äußerst kurzweilig das wahre Leben und hat mir bis zum stimmigen Ende sehr gut gefallen. Es beschäftigt sich nicht nur mit dem persönlichen Ja, Nein oder Vielleicht der sympathischen Protagonistin, sondern auch mit Themen wie dem Leben als alleinstehende Frau mit Kindern, dem Älterwerden, gesundheitlichen Problemen und der Kraft der Freundschaft.
  
Es hat mir sehr viel Freude bereitet, die Ich-Erzählerin zu begleiten und ihren Gedankengängen zu folgen. Ich fand mich oft wieder in den Texten, konnte vieles nachempfinden und habe dabei auch immer wieder mein eigenes Leben reflektiert.
 
Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen, leider mit seinen 238 Seiten viel zu kurzen Roman, der zum Nachdenken anregt!