Liebe und andere Katastrophen

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Die vielfach preisgekrönte Autorin Doris Knecht hat mit ihrem Roman “Ja, nein, vielleicht” Bilanz gezogen über das Leben einer Frau, die bereits weit über fünfzig Jahre alt ist. Das bunte Hardcover passt hervorragend zum ländlichen Ambiente, das die Autorin beschreibt, dennoch ist das kein Roman, der einen Rosengarten verspricht. Mit Witz, Charme aber auch Resignation erzählt Doris Knecht, wie Leben verlaufen kann und wie Liebe manchmal - oder auch öfter- schmerzt.

Zuerst gibt es eine Hiobsbotschaft, ein Zahn muss gezogen werden. Eigentlich nicht schlimm, aber doch ein Zeichen für den beginnenden Verfall des Körpers, dafür, dass nicht mehr alles reparabel ist. Dafür, dass Leben endlich ist. Hat man genug geliebt oder bleiben als Saldo der Beziehungen Schmerz und Verrat? Und vor allem- sollte man noch einmal einem Mann eine Chance geben?

Doris Knecht beleuchtet beide Seiten: Die negativen Erfahrungen mit schwierigen Beziehungen der Ich- Erzählerin, den Wunsch, als Ich ein Teil eines Wir zu werden. So freut sie sich, ihren Jugendfreund Friedrich zufällig wieder zu treffen, mit ihm zusammen hat sie das Millennium Feuerwerk in New York fast nicht gesehen - die Beiden waren zu sehr miteinander beschäftigt. Aber das ist fünfundzwanzig Jahre her. Ist Friedrich noch derselbe Mann? Hat sich die Ich- Erzählerin nicht auch verändert?

Doris Knecht thematisiert immer wieder die Rolle der Frau und die Sicht der Gesellschaft auf Alleinerziehende und Alleinstehende. Frauen mit Kindern, aber ohne Partner leiden oft an Überforderung und Geldnot. Wird man als Frau ab einem gewissen Alter nicht mehr gesehen? Ist es ein Makel, allein bei einem Abendessen zu erscheinen, bei dem sonst nur Pärchen teilnehmen? Soll Frau der Liebe noch einmal vertrauen oder hat das Leben sie gelehrt, dass die romantische Liebe nur Einbildung ist, die von der Realität bald eingeholt wird?

Der Verstand der Ich- Erzählerin sagt, sie solle nicht auf die Nachricht eines Mannes warten, nicht mehr erlauben, dass sie von einem Anderen so abhängig wird, ihre Gefühle nicht mehr durch seine Gefühle definieren. Und vor allem sich selbst nicht durch die Augen des Mannes sehen in der Angst, nicht zu genügen. Das Herz versteht leider die Sprache des Verstandes nicht. Wieder ist sie unglücklich und verwirrt, weil Friedrich sich nicht meldet und erst im Moment der Not nimmt sie zur Kenntnis, dass hier schon längst eine rote Flagge weht.

Neben diesem Thema findet sich eine witzige Geschichte, als die Schwester der Ich-Erzählerin, Paula, ihre Wohnung okkupiert, um
ihr Leben neu zu ordnen. Asyl bekommt die Ausgesperrte bei ihrer besten Freundin Therese, die im Begriff ist zu heiraten und die positiven Seiten der späten Liebe verkörpert.

Ein ganz wichtiger Charakter ist der Hund. Der treu begleitet, der für Fitness sorgt, Fremde verbellt und dessen Erziehung besser sein könnte.
Ebenso wichtig sind die mittlerweile erwachsenen Kinder und die vielen Freunde, die wie selbstverständlich zur Stelle sind, als Hochwasser das Haus im Waldviertel bedroht. Alle Charaktere erscheinen lebensecht und könnten direkt aus der Realität ins Buch eingezogen sein. Mit großartiger, leichter und trotzdem nachdenklich machender Schreibweise zieht die Ich- Erzählerin, die leider keinen Namen hat, Bilanz. ”Ja, nein, vielleicht” ist ein absolut gelungenes Beispiel für autofiktionales Schreiben, und wer würde sich anmaßen, zu wissen, was in diesem großartigen Buch Realität ist und was Fiktion?

Mein Fazit:
Ich mag den Schreibstil von Doris Knecht sehr, das leichte, manchmal ironische Beschreiben auch von großen Katastrophen und Gefühlen, dieses Schelmische und Ehrliche, dieses Lebensnahe und Ungeschminkte.
“Ja, nein vielleicht” ist ein kluger Roman, der dazu einlädt, selbst Rückschau zu halten. Gerne würde man mit der Protagonistin die großen und inhaltsschweren Fragen diskutieren, sich bei ihrem Haus im Waldviertel unter einen Baum setzen und die Füße in den kalten Fluss tauchen. So bleibt mir nur, diesen absolut lesenswerten Roman zu empfehlen und ihm die verdienten fünf Sterne zu geben.