Viel Alltag, wenig Gefühl

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steinbock29 Avatar

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Das Cover hat mich direkt angesprochen: ein helles Gelb, gemalte Blumen, freundlich und klar – ein schöner Kontrast zum eher nüchternen Titel. Es weckt Neugier, ohne sich aufzudrängen. Auch der Titel, angelehnt an das bekannte Kinderspiel, verspricht Leichtigkeit und Entscheidungsspielraum – ein schöner Einstieg für ein Buch über das Älterwerden, Selbstreflexion und neue Möglichkeiten.

Inhaltlich dreht sich vieles um eine Frau Mitte fünfzig, alleinlebend, mit erwachsenen Kindern und einem Alltag zwischen Stadtwohnung und Sommerhaus. Die Themen sind durchaus relevant: Selbstbestimmung, Altern, körperlicher Verfall (repräsentiert durch einen problematischen Zahn), Beziehungsfragen und die Bedeutung von Freundschaft und Nachbarschaft. Alte Lieben tauchen wieder auf, Fragen nach Sinn und Nähe ebenso – das alles ist realistisch und gut beobachtet, wirkt aber oft eher distanziert erzählt.

Doris Knechts Stil ist knapp, sachlich, oft fast fragmentarisch. Viele Szenen sind wie Filmschnitte – klar umrissen, aber nicht vertieft. Was manchen gefallen mag, wirkte auf mich oft nüchtern, teilweise sogar langweilig. Es fehlt an Spannung oder erzählerischem Sog. Die Figuren wirken echt, ja, aber auch unterkühlt. Ich habe mich weder mit der Protagonistin verbunden gefühlt, noch mit den Nebenfiguren – obwohl viele interessante Themen angeschnitten werden, blieben mir die meisten Gedanken zu vage oder unfertig.

Was gut funktioniert: Die Atmosphäre zwischen Rückzug und Wiederbegegnung, das Thema „Was zählt, wenn man älter wird?“ ist klug gesetzt. Der Autorin gelingt es, den Alltag politisch aufzuladen, ohne laut zu werden. Was mir gefehlt hat: emotionale Tiefe, eine stärkere Entwicklung oder zumindest Momente, die nachwirken.

Fazit: Ein ruhiges Buch mit klarer Sprache und einem interessanten, aber eher nüchternen Blick auf das Leben in der zweiten Lebenshälfte. Wer reduziert erzählte Literatur und zurückhaltende Beobachtungen mag, wird hier fündig. Für mich persönlich blieb es zu distanziert und zu leise