Außergewöhnliche Liebe

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dj79 Avatar

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Željko Drazenko Kovačević, genannt Jimmy, ist Kind von Einwanderern, die zum Arbeiten nach Ludwigshafen gekommen sind. Auf dem Bau und beim Putzen verdienen Jimmys Eltern gerade so viel, dass sie ihre fünfköpfige Familie versorgen und in einer Zweizimmerwohnung unterbringen können. Beim vierzigsten Geburtstag seiner Mutter lernt der 15-Jährige Martha Gruber, Professorin in Heidelberg, kennen. In seinen Sommerferien kümmert sich Jimmy um den Garten der Grubers. Marthas Anziehungskraft ist riesengroß. Željko verliebt sich.

Ich mochte Željko. Er ist klug, forscht Themen aus, die er nicht kennt. In der Bibliothek schlägt er Fremdwörter nach, wodurch er vermutlich mehr davon beherrscht als Gleichaltrige mit deutschen Wurzeln. Željko merkt schnell, dass ihm aufgrund seiner Herkunft Steine im Weg liegen, und weiß sehr genau, dass Bildung die Hürden überwinden kann.
In Martha konnte ich mich gut hineinversetzen. Mit beruflich erfolgreichem Werdegang, Mann und Kind steht sie mitten im Leben als sie Jimmy kennenlernt. Vielleicht ist dieses sorglose Leben mit Putzfrau, verwöhntem Kind und regelmäßig abwesenden Mann von einer gewissen Kälte durchdrungen, die durch eine Dankbarkeit und Zuneigung, die Jimmy ihr entgegenbringt, vertrieben werden kann.

So entwickelt sich eine Liebe zwischen den beiden, die manchmal kindlich in einem Rülpswettbewerb endet, die mütterlich wirkt, wenn Martha ihm Bücher schenkt, die aber vor allem von unterdrückter Leidenschaft und Entbehrung geprägt ist. Nur selten geben sich die Liebenden vollends hin. Das macht das Lesen sehr reizvoll und spannend.

Ganz nebenbei taucht man in das Schicksal der Gastarbeiterfamilien und ihren in Deutschland geborenen Kindern ein. Sie sind die Fremden, die mit Vorurteilen bedacht werden und sich doppelt anstrengen müssen, um sich zu bewähren. So tut Željko alles, um sich maximal zu integrieren und ein anerkannter Bürger zu sein. Dabei droht er sich selbst, seine Identität und seine Persönlichkeit, zu verlieren. Das hat mich stark berührt und lässt mich meine empfundene Toleranz neu reflektieren.

Martin Kordić verbindet gekonnt Liebesgeschichte, Gesellschaftskritik und Zeitgeist. Angenehm in Erinnerung bleiben wird mir die Einbettung seiner Geschichte in das Zeitgeschehen. Seine Ausführungen zu Michael Jackson und zur Fußball-WM in Deutschland haben mich selbst zurückversetzt und das jüngere Lebensgefühl wieder aufleben lassen. Kordićs attraktive, wunderbar lesbare Sprache bildet den perfekten Rahmen für seinen Roman.

Sehr gern empfehle ich die Lektüre.