Geradezu durchgeflogen!

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nathalielamieux Avatar

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Željko Kovačević, der von allen der Einfachheit halber Jimmy genannt wird, begegnet Martha zum ersten Mal mit 15. Martha ist Professorin und verkörpert Wohlstand und Bildung, die ihn fasziniert. Denn er lebt mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen, der Vater arbeitet auf diversen Baustellen, die Mutter hat mehrere Putzstellen, bei denen ihr die Kinder helfen. Eine davon ist bei Martha. Željko ist in Deutschland geboren und Inhaber eines deutschen Passes, doch seine familiären Wurzeln in der Herzegowina behindern ihn häufiger und er kämpft darum, dem Gastarbeitermilieu zu entkommen. In jenem Sommer, als Željko ihr zum ersten Mal begegnet, bietet sie ihm einen Ferienjob bei ihr zu Hause an. Er arbeitet im Garten und Martha ermöglicht ihm uneingeschränkten Zugang zur Bibliothek und damit zu Wissen und Bildung. Am Ende des Sommers lädt sie ihn in die Oper ein und er fühlt sich wie ein erwachsener Mann in ihrer Welt. Zwischen ihnen ist die Anziehungskraft groß. Das erinnert natürlich sehr an Dustin Hoffmann und die Reifeprüfung, doch Verführung und körperliche Liebe steht hier nicht im Vordergrund. Ihre Leben werden jahrelang verwoben sein, doch es ist eine Art Band, das mal enger, mal lockerer über die Jahre besteht, ohne in eine klassische Liebesbeziehung zu münden.
Željko erhält einen Studienplatz in München und lernt Alex Donelli kennen, eine Art Popstar-Literaturprofessor, der für in Chef, Freund und Vater gleichzeitig ist. Auch hier spürt man eine Anziehungskraft zwischen den Beiden, jedoch ist das Gefälle der Machtposition groß und irgendwann lässt Alex Željko fallen, als es drauf ankommt. Martha hingegen ist zur Stelle und begleitet Željkos Erwachsenwerden mal aus der Nähe, mal aus der Ferne. Sie unterstützt ihn auch finanziell und reist mit ihm sogar nach Herzegowina zur Beerdigung seines Großvaters.

Martin Kordić hat mit „Jahre mit Martha“ einen Roman über eine Liebe, die nicht sein kann, geschrieben. Über den Wunsch nach einem Leben, das für den Protagonisten nicht vorgesehen ist. Ein Roman über das Erwachsenwerden, und der Suche nach dem Platz im Leben, wenn mehrere Kulturen aufeinandertreffen. Sprachlich sehr poetisch geschrieben, dennoch so flüssig und auch humorvoll, dass es einfach wahnsinnigen Spaß machte, das Buch zu lesen. Ich konnte nicht mehr aufhören und flog in 3,5 Stunden nur so über die Seiten – nicht ohne ab und zu anzuhalten und besonders pointierte Stellen laut vorzulesen. Eine absolute Leseempfehlung!