Entwurzelt

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Im Mittelpunkt von Andreas Wagners Romandebüt "Jahresringe" steht Leonore, deren Mutter und Bruder auf der Flucht aus Ostpreußen gestorben sind und die dann bei einem hilfsbereiten Bäcker in einem kleinen Dorf zwischen Köln und Aachen eine Zuflucht findet. Eine wirkliche Heimat wird der Ort aber nie für sie, da sie für die Dorfbewohner immer die fremde Protestantin bleibt. Leonore heiratet auch nie, bekommt aber den unehelichen Sohn Paul. Als dieser volljährig ist, wird Leonore wieder entwurzelt, sie verliert den liebgewonnenen Bäckerladen und den nahen Wald, in dem sie immer Zuflucht gefunden hat, weil Dorf und Bäume dem Braunkohletagebau weichen müssen und alle Bewohner umgesiedelt werden. Und auch als Pauls Kinder langsam erwachsen sind und Leonore alt, ist wieder ein Wald direkt in ihrer Nähe durch den Tagebau bedroht, diesmal der Hambacher Forst.

Ich finde es sehr gelungen, wie Andreas Wagner die verschiedenen Thematiken Flucht aus Ostpreußen, fremd sein und die Bedrohung der Heimat durch den Tagebau miteinander verknüpft hat. Manche Details wirkten mir aber etwas zu skurril, so zum Beispiel Pauls Entstehungsgeschichte und mir blieb Paul als Erwachsener etwas zu fremd, verglichen mit Leonore und Pauls Kindern. Der Schreibstil des Romans ist gut lesbar und der Autor findet oft sehr treffende Formulierungen, um die Gefühle seiner Protagonist*innen zu veranschaulichen.