Heimatlos

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dicketilla Avatar

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1946-1964
Zwei Jahre war sie bereits auf der Flucht, Leonore ein Mädchen aus Ostpreußen. Ihr Glück die Begegnung des Moppen Bäckers Jean Immerath, der ihr eine Unterkunft und Arbeit anbot. Lich-Steinstraß, einem kleinem Dorf zwischen Köln und Aachen.Doch man mochte diesen evangelischen Flüchtling nicht. Nur Arnold, den sie einen Dorftrottel nannten, wurde eine Art Vertrauter, und der Wald, in den es sie immer zog. Ein Fluchtort der ihr Halt gab, in dem sie ihre geliebten Maiglöckchen pflückte.
„Der Wald schien ihr genauso erholsam wie ein tiefer Schlaf.“
Nachdem die Mutter von Jean verstarb, sich dessen Gesundheitszustand verschlechterte, übernahm sie die Bäckerei. Ihren Wunsch nach einem Kind erfüllte sie sich in einer Mondnacht sehr zielbewusst. So wurde auch bald ihr kleiner Paul geboren.

1976-1986
Paul wuchs heran und mit seinem Freund Wilfried tauchten sie ein in die Musik der Beatles, nannten sich John und Paul. Die Schaufelradbagger des Tagebaus rücken immer näher, die Zerstörung des Dorfes konnte nicht mehr aufgehalten werden.
„Paul erinnerte sich an den gefällten Baum, den er als Kind am Wegesrand hatte liegen sehen, auf dem seine Mutter die Jahresringe gezeigt hatte. Damals war es ein einziger Baum gewesen, der ihn zum Nachdenken gebracht hatte. Jetzt waren sie nicht mehr zu zählen.“

2017-2018
Leonore wurde zum Mittelpunkt der Familie, eine liebevolle Großmutter, die mit ihren Geschichten zu begeistern wusste. Das seelenlose Neubaugebiet hatte auch die alten Traditionen des Dorfes geschluckt. Zugezogene hatten keine Ahnung von dem einstigen Dorf.
Pauls Sohn Jan durfte einen riesigen Schaufelradbagger bedienen, seine Tochter Sarah dagegen kämpfte im Hambacher Forst gegen die Abholzung.

In diesen drei Zeitebenen spielt der Roman von Andreas Wagner, ähnlich der Jahresringe eines Baumes Es geht um Vertreibung und Heimat. Es ist der erste Roman des talentierten Autors. Man merkt ihm an, dass er als Sozialarbeiter arbeitet, da er das richtige Gespür gegenüber den Personen und Situationen herauszukitzeln weiß. Besonders Leonore wuchs mir sehr ans Herz, die soviel Mut erwies, in einer Zeit in der Vertrauen, Menschlichkeit verloren ging. Sie nie eine Heimat, eher eine Aufgabe fand. Auch Paul und seine Kinder, wurden als Kinder ihrer Zeit dargestellt. Eine Zeit die immer mehr Veränderung bedeutet, wenn man sich nicht ihr dagegen stellt, Stellung bezieht.
Auch das Cover wird der Geschichte gerecht. Das Maiglöckchen wunderschön, jedoch der Schein trügt.
Eine Geschichte, die noch im Gedächtnis bleibt, Fragen zum Heute aufwirft.