Tolles Thema mit unterschiedlicher Umsetzung

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waldeule Avatar

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Mich hat „Jahresringe“ vor allem wegen seines realen Hintergrunds des Kohleabbaus im Ruhrgebiet und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes interessiert. Das wurde auch sehr gut in die fiktive drei-Generationen-Geschichte der Familie Klimkeit integriert, wobei ich mir zwischendurch noch mehr Tiefe gewünscht hätte.

In jedem der drei Buchabschnitte spielt eine Generation die Hauptrolle und so schlägt es einen Bogen vom Flüchtlingsmädchen Leonore zu den Enkeln Jan und Sarah, die zur Rodung des Hambacher Forsts ganz unterschiedlicher Meinung sind. Mit Abstand am stärksten fand ich diesen 3. Teil. So hätte ich mir das ganze Buch gewünscht. Da werden nicht nur verschiedene Meinungen vertreten, sondern vor allem dürfen wir mit der Familie Klimkeit mitleben und ihre Gedanken, Gefühle und Konkflikte hautnah erfahren. Diese Direktheit hat mir vor allem im mittleren Teil gefehlt, in dem sehr distanziert berichtet wird, wie Paul, der Sohn Leonores seine Jugend erlebt. Langatmig, ohne Emotionen und auch für mich thematisch nicht relevant. Im ersten Teil bin ich der Geschichte Leonores, die in Lich-Steinstraß eine neue Heimat findet, gerne gefolgt. Nur mit den mystischen Geschehnissen in diesem Teil konnte ich überhaupt nichts anfangen. Ich habe nichts gegen Übersinnliches in Büchern, wenn es denn passt – das hat es hier für mich aber gar nicht, abgesehen davon fand ich es auch völlig unnötig.

Mit dem letzten Abschnitt schließt sich der Kreis und sowohl die Familien- wie auch die tatsächliche Geschichte wird rund. Vom Grundaufbau gut gemacht und auch die die lebendigen Charaktere waren gut gewählt. Nur ihre spontanen Handlungen – gerade wenn es um das Thema Wald ging – haben mich immer wieder gestört. Das hätte man auch plausibler erzählen können.

Das Thema Heimat spielt durchgehend eine (große) Rolle, was mir sehr gut gefallen hat. Heimat, aus der man gewaltsam vertrieben wird; Heimat, die zu keiner Heimat wird; aber auch Heimat, die man selbst findet. Ich habe wie erhofft auch etwas über den geschichtlichen Hintergrund des Braunkohleabbaus und der damit verbundenen Zerstörung des Bürgerwaldes und dem Kampf im Hambacher Forst erfahren, allerdings hätte dieser Aspekt für mich durchaus ausführlicher und noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Das ist aber persönliche Vorliebe, andere LeserInnen werden das anders sehen.

Fazit: Familiengeschichte mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Gut gewähltes Thema, die Umsetzung hatte für mich ein paar Schwächen. Durch den gelungenen dritten Abschnitt aber doch noch vier Sterne.