Vom Leben und von der Bedeutung von Heimat

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anna625 Avatar

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Als Leonore aus Ostpreußen fliehen muss, ist sie 21 Jahre alt. Zumindest behauptet sie das, denn als dreizehnjähriges Mädchen käme sie nicht weit. Ihr Weg führt sie immer weiter nach Westen, das ist ihr einziges Ziel - bis sie irgendwann in einem kleinen Dorf am Rand des Bürgewalds strandet, der später als "Hambacher Forst" bekannt wurde. Leonore bleibt, sie trotzt der Ablehnung, die ihr, dem Flüchtling, von den meisten Dorfbewohnern entgegengebracht wird. Auch noch nach Jahren ist sie die Fremde, fühlt sich nie vollständig angekommen in ihrem neuen Zuhause. Und doch bedeutet ihr dieser Ort viel, das wird ihr vor allem bewusst, als eines Tages Pläne für die Umsiedelung des Dorfes und seiner Bewohner geschmiedet werden. Denn der Wald soll gerodet werden, um an die großen Braunkohlevorkommen darunter zu gelangen.

Das Buch beginnt mit der Ankunft Leonores im Dorf und erzählt zunächst, wie sie sich dort ein neues Leben zu erkämpfen versucht. Der zweite Teil handelt dann von Paul, dem Sohn Leonores, während dessen Jugend das alte Dorf dem Erdboden gleichgemacht wird. Auch er sieht sich nun mit der Frage konfrontiert, was Heimat bedeutet und wo sein Zuhause ist. Im letzten Teil wiederum geht es um Sarah und Jan, Pauls Kinder. Für beide stellt der Hambacher Forst den Mittelpunkt ihres Lebens dar - für Paul wurde er zum Arbeitsplatz, Sarah bietet er einen Platz zum Leben.

Alle Figuren verbindet somit neben ihrer Verwandtschaft vor allem eines - sie sind auf der Suche, auf der Suche nach einem Zuhause, einer Heimat. Einem Ort, an dem sie bleiben und Schutz finden können. Gleichzeitig wird, zunächst wie nebenbei, die Geschichte des Hambacher Forstes erzählt, der einstmals von Karl dem Großen unter Schutz gestellt wurde und nun seinem Ende entgegensieht.


Einfühlsam, atmosphärisch und bewegend gelingt es Andreas Wagner hier mit seinem Debütroman, nicht nur die Geschichte Leonores und ihrer Familie zu erzählen, sondern leise und beinahe unbemerkt noch eine viel größere. Denn: Der Hambacher Forst steht nicht zuletzt auch symbolisch für das, was gerade im großen Stil mit der Erde geschieht. So, wie der einstige Bürgewald für viele als Heimat verloren ging, sind wir im Begriff, auch den Planeten Erde, unsere Heimat, immer weiter zu zerstören.


Ich bin sehr positiv überrascht von diesem Debütroman, der sehr angenehm zu lesen war und nachdenklich zurücklässt. Ich bin gespannt auf weitere Werke des Autors und kann eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen!