Einfach genial!

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maimouna19 Avatar

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Percy Everett greift in „James“ Mark Twains Klassiker „Huckleberry Finn“ auf, erzählt die Geschichte aber aus Sicht des Sklaven Jim.
Jim, der eigentlich James heißt, beschließt zu fliehen, als er erfährt, dass er ohne seine Frau und Tochter verkauft werden soll. In der Hoffnung, dass man dort nicht nach ihm sucht, macht er sich in Richtung Süden auf und nicht - wie die meisten entflohenen Sklaven - in den freien Norden. Unterwegs trifft er auf Huckleberry Finn, genannt „Huck“, der seinem gewalttätigen und trunksüchtigen Vater entkommen will. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg – James mit dem Ziel, genug Geld zu verdienen, um seine Familie freizukaufen.
OK, ich hätte dieses Buch nicht gebraucht, um zu lernen, dass Rassismus und Sklaverei falsch sind, aber die Idee, die Geschichte aus der Perspektive des Sklaven James zu erzählen, ist einfach grandios. Der Roman ist großartig geschrieben, spannend und unterhaltsam. Da ich das Buch auf Englisch gelesen habe, hatte ich anfänglich Schwierigkeiten mit dem von James und anderen Sklaven gesprochenen Kauderwelsch-Slang, musste mir Dialoge teils laut vorlesen, um sie zu verstehen. Das Lesevergnügen wurde dadurch allerdings nicht getrübt, sondern war der einzige Grund, der mich beim Lesen zum Schmunzeln gebracht hat: um der Erwartungshaltung der weißen Sklavenhaltergesellschaft zu entsprechen, befleißigen sich die Sklaven dieses Slangs und James verbirgt dadurch seine Sprachgewandtheit und die Tatsache, dass er lesen und schreiben kann. Schon den Kindern wird beigebracht, in Gegenwart von Weißen nur in diesem Kauderwelsch zu reden, um das Bild des dummen, einfältigen Schwarzen aufrechtzuerhalten und damit Bestrafungen und Misshandlungen zu vermeiden.
Ansonsten schildert der Autor schonungslos und eindringlich die Grausamkeiten der Sklaverei: Menschen werden wie Vieh behandelt, Männer werden ausgepeitscht, Frauen vergewaltigt, Familien ohne mit der Wimper zu zucken, voneinander getrennt.
Mit „James“ ist Everett ein genialer Roman gelungen, allemal mehr als nur eine „Abenteuergeschichte“. Absolut lesenswert!