Hier wird Literaturgeschichte auf den Kopf gestellt

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mirko Avatar

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Nach „Erschütterung“, den ich überragend fand, ist dies mein zweiter Roman von Percival Everett. Eine Neuerfindung von „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“, in deren Mittelpunkt der schwarze Jim/James steht, der in die Sklaverei verkauft werden soll und zusammen mit Huck Finn flieht.
Bei "James" handelt es sich um ein Buch, dem eine absolut innovative Idee zu Grunde liegt. Everett bedient sich dafür eines Klassikers der US-amerikanischen Literatur, dessen Charakteren und Handlung, gibt den Protagonisten aber eine völlig neue Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei der Sklave James, der sehr gebildet ist und sich sein Wissen, insofern zu Nutze gemacht hat, als er sich immer den Umständen anzupassen weiß. Er tut das, was die Weißen von ihm erwarten. Er schaut immer ein Stückchen voraus, was ihn in der ihn umgebenden Welt schützt .
Everett kann durch dieses Konstrukt eine Rassismusdebatte auf einer völlig neuen Ebene führen. Er integriert geschickt die Ideen der großen Philosophen wie Voltaire, Rousseau oder Locke. Einzig der Sklave James ist dazu in der Lage, die Gedanken dieser Philosophen aufzugreifen und sie in seine eigene Welt zu transportieren. Diese Idee ist so einzigartig, dass man tatsächlich von einem Geniestreich sprechen muss. Was man darüber hinaus noch hervorheben muss, ist die Tatsache, dass der Autor dem zu Grunde liegenden Klassiker nichts wegnimmt. Sein Ansatz ist mutig, aber niemals offensiv. Er regt den Leser lediglich zum Nachdenken an. Sein philosophischer Denkansatz ist durchströmt von Empathie, nicht von Aggressionen.
Ganz sicher handelt es sich bei diesem Roman nicht um eine Lausbubengeschichte, sondern um eine reife, aufwühlende. erwachsene, ergreifende und nachdenklich machende Erzählung. Die Dramatik nimmt im Laufe der Handlung stetig zu und gipfelt in einem gut dosierten Ende. Der Leser verfolgt gebannt die Flucht von James und seine Wut über das Unrecht, das so vielen dunkelhäutigen Menschen widerfährt, die Sehnsucht nach seiner Frau und seiner Tochter, die ihn dazu antreibt sich höchsten Risiken auszusetzen und selbst im Angesicht größten Leids nicht aufzugeben.
Fazit: Percival Everett ist erneut ein ganz großer Roman gelungen. Er erzählt eine spannende Geschichte, aber er veredelt sie durch philosophische Gedanken, mit denen er den Roman durchzieht, ohne den Leser dadurch jemals zu ermüden. Ich bin begeistert von der Idee und dankbar für einen großartigen Roman.