All Aboard The Ghan

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Ein Mord, ein Zug und ein Haufen Verdächtiger – das klingt nach einem klassischen Whodunit à la Agatha Christie. Aber statt im namenhaften Orient-Express finden wir uns dieses Mal im (nicht weniger berühmten) „The Ghan“ wieder, auf einer Reise durch die eindrucksvollen Landschaften Australiens. Leider entwickelt sich die Fahrt jedoch ein wenig anders, als es sich die illustre Reisegesellschaft bei ihrer Abfahrt aus Adelaide wohl vorgestellt hat. Ein exklusives Krimi-Festival mit handverlesenen Autoren sollte es werden, doch kaum setzt sich der Zug in Bewegung, werden nicht nur die verbalen Messer gewetzt. Als einer der Reisenden in einer dramatischen Szene seinen letzten Atemzug macht, fühlt sich True Crime Autor und Mitreisender Ernest Cunningham dazu berufen den „Fall“ zu lösen. Schließlich soll der Gerechtigkeit Genüge getan werden. Und natürlich wäre es eine super Handlung für sein neues Buch, das er eigentlich schon längst geschrieben haben sollte (ein Buch über ein wahres Verbrechen funktioniert nicht so recht, ohne wahres Verbrechen).
Jeder im Zug ist verdächtig von Benjamin Stevenson ist eine köstlich überdrehte Hommage an das Krimi-Genre, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt und gerade deshalb eine Menge Spaß beim Lesen macht.
Der Einstieg in die Geschichte fühlt sich ein wenig an wie der Versuch, bei voller Fahrt auf einen fahrenden Zug aufzuspringen (eine Erfahrung die Ich-Erzähler Ernest wahrscheinlich besser beschreiben könnte): nervenaufreibend, aufregend und auch reichlich chaotisch. Es gibt viele Figuren, deren Namen man erst einmal sortieren muss, reichlich Bezüge zu dem ersten Teil der mörderischen Cunninghams (den ich (noch) nicht gelesen habe), die ich nicht ganz verstanden habe und es dauert auch eine Weile, bis sich ein Fall hervortut. Doch hat man sich erst einmal eingegroovt und mit dem doch eher ungewöhnlichen Erzählstil vertraut gemacht, entfaltet sich ein raffinierter Kriminalfall, der mit cleveren Wendungen, amüsanten Seitenhieben auf das Genre und jeder Menge skurriler Situationen punktet. Ich kann nur jedem nahelegen mit großer Aufmerksamkeit zu lesen und alle Details im Hinterkopf zu behalten, denn die Auflösung lässt wirklich nichts aus. Das Dénouement zum Ende hat mir so viel Spaß gemacht beim Lesen und mich für alle anfänglichen Schwierigkeiten mehr als entschädigt.
Alles in allem ist Jeder im Zug ist verdächtig eine gelungene Mischung aus klassischem Krimi und augenzwinkernder Satire – ein Buch für alle, die klug konstruierte Rätsel lieben, sich aber auch gerne über die Konventionen des Genres amüsieren. Wer den etwas wilden Einstieg meistert, wird mit einem unterhaltsamen Leseerlebnis belohnt.