Emanzipation oder purer Egoismus? Dramatischer Lebensweg einer jungen Schauspielerin im Wien der 50/60er Jahre

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takabayashi Avatar

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Johanna hat es geschafft: aus ärmlichen Verhältnissen kommend landet sie schon als Neunzehnjährige mit großem Erfolg am Wiener Burgtheater.
Dann verliebt sie sich unseligerweise in einen jungen Juristen und wird bald darauf schwanger. Was nun? Man beschließt zu heiraten und Johannas Aufstieg in die obere Mittelschicht ist besiegelt.
Bald zeigt sich allerdings, dass diese Ehe auf sehr wackeligen Füßen steht.
Der Roman wird auf zwei unterschiedlichen, nicht sehr weit auseinanderliegenden Zeitebenen erzählt, 1948-51 und 1961.
Johanna will alles haben, Ehe, Kind und Karriere. Das ist natürlich schwer unter einen Hut zu bringen, speziell in den Fünfziger Jahren, als ein Ehemann seiner Frau noch verbieten konnte zu arbeiten. Sie lässt sich allerdings nichts verbieten, aber das Wichtigste ist ihr doch ihre Schauspielkarriere und der damit verbundene Ruhm, so dass Ehe und Kinderversorgung auf der Strecke bleiben. Nichts ist gegen den Karrierewunsch einzuwenden, aber dann sollte man sich überlegen, ob das mit einer Familie, speziell mit einem Kind vereinbar ist.
Für mich ist Johanna keine starke Frau, sondern eine, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre Interessen durchsetzt und ihre Rolle als Ehefrau und Mutter nur „spielt“, wenn es ihr gerade in den Kram passt. Sie erscheint selbstverliebt, egoistisch und ziemlich unreif und wurde mir beim Lesen zunehmend unsympathischer.
Johannas Entscheidungen sind für mich nicht nachvollziehbar, auch nicht die ihres Ehemannes Georg. Das mag daran liegen, dass die Figuren nicht ausreichend charakterisiert werden, man sie nur oberflächlich kennenlernt.
Am Ende wird noch unvermittelt ein Familiengeheimnis aufgetischt, das ich schon eine ganze Weile geahnt hatte, das aber eigentlich keinen besonderen Einfluss auf den Fortgang der Geschichte hat. Zum abrupten Schluss dann ein versöhnlicher Epilog in der Jetztzeit, der aber viele Fragen über die inzwischen verstrichene Zeit offen lässt.
Zu Beginn hat mir der Roman sehr gut gefallen, doch je unsympathischer die Protagonistin mir im Verlauf der Handlung wurde, desto weniger konnte ich mich für sie begeistern. Der Schreibstil der Autorin ist größtenteils gut lesbar, jedoch erforderten die von ihr gern genutzten langen Schachtelsätze des öfteren einen Rückblick um zu schauen, welches Subjekt denn zum Verb gehört.
Eine durchaus interessante Story-Idee, deren Umsetzung aber nicht die Erwartungen erfüllen kann, die der Klappentext und das sehr gelungene Titelbild geweckt haben.