"Ich spiele um mein Leben!"

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Der junge Julius von Berg spielt Tennis für sein Leben gern. Seiner privilegierten Herkunft hat er einen eigenen Tennisplatz zu verdanken. Zunächst wächst er auf der Burg am Rhein gemeinsam mit seinen beiden Schwestern Almuth und Viktoria behütet, aber im Geiste von Anstand und Respekt auf.

Tennis spielt die ganze Familie, doch Julius ist mit außerordentlichem Talent gesegnet und übersiedelt nach Berlin. Dort angekommen, muss er erkennen, dass das Leben hier ganz anders ist, als er es bislang gewöhnt ist.

Anstand und Respekt zählen im Berlin der Zwischenkriegszeit außerhalb des Tennisklubs wenig. Trotzdem bleibt er diesen Prinzipien und sich selbst weiter treu. Er wird in die deutsche Tennismannschaft geholt und eilt von Sieg zu Sieg. Dem aufstrebenden Nationalsozialismus kann er ebenso wenig abgewinnen wie den Bestrebungen zahlreicher Frauen, Politiker und Industrieller, die sich in seinem Schatten sonnen wollen.

Als Julius von Berg, groß, blond und erfolgreich - der Prototyp eines Vertreters der Herrenrasse, den entscheidenden Sieg beim Turnier im Davis-Cup zugunsten des Fairplays und eines Amerikaners vergibt, bekommt er die volle Härte des Regimes zu spüren.

Meine Meinung:

Autor Tom Saller ist ein wunderbarer historischer Roman gelungen, auch wenn dessen Ausgang für Julius in einer Tragödie endet.

Der Beginn dieses Romans, der an das Leben des deutschen Tennis-Asses Gottfried von Cramm angelehnt ist, ist geprägt von der privilegierten Herkunft hoch droben auf der Burg im Rheintal. Weltgewandt, frankophil und nicht vom täglichen Überlebenskampf gezeichnet, ruft der mädchenhafte Erbe gleich an seinem ersten Schultag Aufsehen hervor. „Die Berg’schen Mädchen sind Rowdys! Und dann gibt es Julius.“

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg ist es nicht opportun, es sich mit den französischen Besatzern des Rheintals gut zu stellen. Schnell ist man verdächtig, mit dem Feind gemeinsame Sache zu machen.

„Zu der Zeit war der Tennissport nicht sonderlich populär in Deutschland. Der Krieg war vorbei, dennoch gab es für die Menschen Wichtigeres, als ihre Kräfte bei einer scheinbar sinnentleerten Tätigkeit zu vergeuden, die vor allem darin besteht, einer Filzkugel mittels eines geformten Holzstücks, das mit ein paar Metern Tierdarm bespannt ist, eben dort hinzuschlagen, wo niemand steht - genau genommen die Antithese zu dem Gedanken des Miteinanderspielens.“

Der Bruch im Leben von Julius beginnt mit dem Erstarken des NS-Regimes. Er hilft seinem jüdischen Tenniskollegen bei der Emigration 1933 aus Deutschland.

Als er 1937 auf dem Centercourt antreten muss, ist das eine Art Stellvertreterkrieg, ähnlich wie ihn Max Schmeling in seinem Kampf gegen Joe Louis, führen muss. Hier hätte er die Chance, den Davis-Cup-Sieg für Deutschland erringen. Doch sein Verständnis von Anstand, Respekt und Fair Play lassen ihn, den Sieg vergeben. Er wird als Homosexueller denunziert, was ihn besonders gefährdet, denn das NS-Regime hat den §175 verschärft. Hier hat jener Schulkollege seine Finger im Spiel, der in schon an seinem ersten Schultag verunglimpft hat.

Berührend sind die Szenen in denen wir Julius im Gefängnis begegnen. Zu Beginn scheint ja noch so etwas wie eine kleine Hoffnung zu bestehen, dass er freikommt. Doch seine offenherzigen Antworten beim Verhör besiegeln sein Schicksal.

„Ich gehe jedes Match so an, als ginge es um Leben und Tod. Ich kann nicht anders.“

Aufschlussreich sind auch die geschichtlichen Details zu Gottfried von Cramm, dem historischen Vorbild für Julius von Berg. Gottfried von Cramm wird die NS-Zeit überleben, obwohl er 1940 „zur Bewährung“ an die Ostfront abkommandiert wird, und bereits 1948 den deutschen Tennisverband neu gründen.

Sowohl der fiktive Julius als auch der echte Gottfried spielen elegantes, schönes Tennis, auch um den Preis einer Niederlage. Damals wird nicht gestöhnt wie ein brunftiger Hirsch oder das brachiale Bumm-Bumm-Tennis eines Boris Becker gespielt, sondern Tennis in Vollendung.

Fazit:

Ein berührender historischer Roman, der ein reales Vorbild hat. Gerne gebe ich hier eine Leseempfehlung und „Spiel, Satz, Sieg“ mit 5 Sternen.