Ein Buch wie ein Gemälde

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scylla Avatar

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Der Titel dieses Debütromans von Alena Schröder liest sich im ersten Moment etwas sperrig. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch schnell, dass hier auf den Titel eines Gemäldes angespielt wird, das im Buch eine zentrale Rolle spielen soll. Die Junge Hannah, eine bisher eher wenig erfolgreiche Doktorandin, findet bei ihren wöchentlichen Besuchen bei ihrer Großmutter Evelyn einen Brief, in dem diese als die Erbin eines verschollenen jüdischen Kunstvermögens ausgewiesen wird. Evelyn will jedoch nichts davon wissen und weigert sich vehement, Hannah mehr über ihre Vergangenheit zu erzählen. So lässt Hannah schließlich selbst Nachforschungen anstellen und kommt dabei mehr und mehr den Geheimnissen ihrer eigenen Familiengeschichte auf die Spur.

Anders als zunächst angenommen, spielt die Suche nach den verschollenen Gemälden im Buch nur eine untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um die Schilderung einer Familiengeschichte und das Schicksal von vier Frauen aus vier Generationen, die über alle Epochen hinweg mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Alle vier hadern mit ihren gesellschaftlichen Rollen und befinden sich im Spannungsfeld zwischen (ungewollter) Mutterschaft, schwierigen Beziehungen zu Männern und beruflicher Selbstverwirklichung. Die große Stärke des Buches liegt dabei in der emotional überzeugenden Schilderung der Ereignisse aus der Sicht der verschiedenen Figuren. Meist wird abwechselnd aus der Sicht von Hannah und ihrer Urgroßmutter Senta erzählt, teilweise kommen aber auch Nebenfiguren zu Wort und geben einen Einblick in ihre Sicht auf die Welt. Der Schreibstil passt sich dabei sehr deutlich der aktuellen Epoche an, aus der erzählt wird. Bei Hannah wirkt alles sehr modern, bei Senta spürt man dafür deutlich Konventionen der 1930er Jahre. Dabei sind beide Erzählstränge gleich interessant und spannend, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte. Der Aufbau der Geschichte ist linear und flüssig und kann gut die sich über die Zeit entwickelnden Familienverhältnisse vor den Hintergrund des erstarkenden Nationalsozialismus einfangen. Der Fokus bleibt dabei aber immer auf das Leben und den sich verändernden Alltag der Frauen gerichtet. Besonders erfrischend fand ich dabei Hannahs Erzählperspektive, in der die Arbeit im akademischen Milieu sehr naturgetreu wiedergegeben wird. Ich musste schon das eine oder andere Mal schmunzeln und habe mich in ihren Zweifeln wiedererkannt.

Einzig am Ende war ich etwas überrascht, dass die Geschichte doch noch so einige lose Enden besitzt. An sich ist der Abschluss stimmig und nachvollziehbar und mehr gibt es vielleicht auch nicht zu sagen. Allerdings ist mir der Fokus auf die Suche der verschollenen Bilder dann doch etwas abhandengekommen. Trotzdem würde ich das Buch aufgrund der packenden Familiengeschichte und der tollen Erzählperspektiven auf jeden Fall weiterempfehlen.