Familiengeschichte mal anders

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justm. Avatar

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Als Hannah unerwartete Post bei ihrer Großmutter findet, offenbart sich für sie ein Teil der Vergangenheit ihrer Familie von dem sie bis zu diesem Zeitpunkt nichts wusste; ihre Großmutter wiederum am Liebsten nichts mehr wissen wollen würde.
Es geht um einen bislang unbekannten jüdischen Familienzweig, verschwundene Bilder - Raubkunst durch die Nazis, und das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Frauen, die so unterschiedlich sie auch sein mögen, letzten Endes doch gar nicht so verschieden sind.

Alena Schröder erzählt in "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" (im Übrigen die vage Beschreibung eines der verschwunden Gemälde) eine Geschichte, die den Leser, in sich abwechselnden Kapiteln, sowohl in die Vergangenheit, als auch die aktuelle Zeit entführt.
Mit den verschwundenen Bildern, die hier lediglich als Aufhänger fungieren,
wird nicht nur Hannahs Familiengeschichte Stück für Stück aufgedröselt, sondern auch die vielen Konflikte eben dieser Familie, die sich erstaunlicherweise im Lauf der Generationen immer wieder wiederholen.
Dabei immer im Mittelpunkt: Die Frauen der Familie!
Neben Hannah und ihrer Großmutter Evelyn, auch Hannahs Mutter, vor allem aber die Mutter und die Tante der Großmutter.
Männer sind hier eher Nebenfiguren, die zwar das Leben der einzelnen weiblichen Hauptfiguren (teilweise stark) beeinflussen, aber meist eher antagonistisch wirken.
Ohnehin kommen viele Figuren (unabhängig, ob Mann oder Frau) eher unsympathisch rüber, was zum Teil sicher der Zeit, in der sie agieren, geschuldet ist, zum Teil aber sicher einfach dem, durch die Autorin gewünschten, Charakter entspricht. Das macht es sehr leicht einige Figuren anstrengend, nervig oder bösartig zu finden, aber schwierig Sympathie für irgendwen zu entwickeln. Selbst Hauptfigur Hannah möchte man teilweise einfach nur schütteln und zurufen: "Man, mach doch einfach mal den Mund auf und steh für Dich selbst ein!".

Letzten Endes geht es in dieser Geschichte aber nicht vordergründig um Raubkunst oder den Umgang in den Familien mit dem Nationalsozialismus. Nein, sie sind, wenn man der Titel-Thematik treu bleiben möchte, eher der mehr oder weniger fein gezeichnete Hintergrund.
Und auch während das Buch oberflächlich betrachtet eine Art Familienhistorie ist, so ist es letzten Endes doch viel mehr Hannahs Reise. Nämlich die einer End-Zwanzigerin, die durch einen Blick in die (Familien-)Vergangenheit, gelernt hat, daß das Leben im Hier und Jetzt stattfindet und so die Weichen für eine, ihre, neue Zukunft stellt.
Und als Leser freut man sich dann irgendwie doch für sie!