Handwerklich perfekt, manchmal mir zu flach

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merkurina Avatar

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In der Leseprobe streifte der Roman bereits mehrere Zeitebenen und produzierte dadurch gute cliffhanger - sprich Spannung. Ich erwartete den Versuch, gute Unterhaltung mit der Behandlung von schwierigem historischen Material zu verknüpfen, insbesondere natürlich bezogen auf den Nationalsozialismus. Ein Versuch, von dem ich nie weiß, ob er wirklich gelingen kann.
Weil ich aber wissen wollte, wie es mit Senta weiterging, mit Hannahs Suchbewegungen weitergehen wird.. bestellte ich mir das Buch sogar als "Wunschbuch".
Und war prompt erst mal etwas enttäuscht. Bis zur Mitte hatte ich den Eindruck, dass die Autorin ihrem Einfall hinterherschreibt. Dass das Buch dadurch flach wird, wie vom Reißbrett geschrieben. Die Figuren kamen mir eher beschrieben, ihr Charakter behauptet und bewertet vor, als, dass sie diesen wirklich aus sich heraus für Leser*innen entfalten konnten. Ständig schien mir zur Handlung und zum Auftreten der Personen auch gleich noch dazu gesagt, was ich von ihnen halten soll. Dies gilt insbesondere für die Figur des Jörg Sundermann, die zu wirklich den schwachen Figuren gehört (nicht nur der behaupteten Schwächlichkeit wegen, sondern eben sehr holzschnittartig gezeichnet.)
Ich war also etwas genervt und fühlte mich manchmal auch gelangweilt. Das Buch bietet dann aber doch auch einige überraschende Wendungen, Zusammenführungen der Handlungsstränge und ein recht fröhliches Ende. Das ist schon handwerklich sehr perfekt, vielleicht ja zu sehr. Auf jeden Fall ist vieles sehr didaktisch, mir zu didaktisch. Was gut ist und was schlecht, das ist weitgehend hübsch sortiert.
Außer in dem Punkt rund um den Themenkomplex "regretting motherhood", die Leiden an nicht wirklich gelingendem Muttersein, die Leiden der Mütter und der Töchter und die Wege zum Verständnis. Hier scheint mir der Roman seine Stärke zu haben - und es fragt sich, ob der Anlasse eines spät entdeckten NS-Kunstraubs dazu notwendig ist. Andererseits: Wie will man in der deutschen Geschichte Generationen weit zurückgehen ohne irgendwie im Nationalsozialismus zu landen?