Mutter oder doch mehr?

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Alena Schröder wird oft als Journalistin vorgestellt, die unter anderem für die Brigitte schreibt und bisher Sachbücher publizierte. Was nicht erwähnt wird, sind die bisherigen Buchtitel: ‚Große Ärsche auf kleinen Stühlen‘ und ‚Kleine Scheißer in großen Gärten‘ und abschließend ‚Große Ärsche im Klassenzimmer‘. Und genau das ist der Grund warum ich auch ihren ersten Roman lesen wollte: ‚Junge Frau am Fenster stehend, Abendlich, blaues Kleid‘. Alena Schröder kann schreiben und wunderbar reflektieren, dass hat sie mir schon lange in ihrer Reihe als „Benni-Mama bewiesen! Auch wenn die Titel platt sind, treffen sie doch so ins Schwarze. Die sind witzig und zeigen den Wahn der Elternschaft und mit was oder besser mit wem man sich da so rumschlagen muss. Nun aber zu ihrem ersten Roman, der genauso gelungen ist!
Auch hier spielt wieder das Kinderbekommen eine zentrale Rolle. Senta ist eine Frau, die sich nicht nur als Mutter verstand und dem täglichen langweiligen Trott entkommen wollte. Leider war es für sie nicht 2021 sondern in den 1920er Jahren und somit alles andere als üblich. Senta löst sich von der eigenen Tochter als sie 3 Jahre alt ist, zwar schickt sie Geld und auch mal einen Brief, aber es entsteht keine Nähe. Was fasziniert ist die selbstbestimmte und reflektierte Position die Senta einnimmt. Sie verzweifelt nicht an der Zerrissenheit zwischen Freiheit und Kind, nein, sie hat entschieden und ist damit zufrieden. Welch andere Perspektive auf solch eine Situation – bereichernd, wenn nicht immer nur leidende Mütter getrennt vom Kind beschrieben werden in der Literatur!
Natürlich kommen dann die furchtbaren Nazi-Jahre, in denen auch die jüdische Familie ihres Mannes leiden muss. Und hier kommt eigentlich der Auftakt, denn wir begegnen Evelyne zuerst im Pflegeheim in der Gegenwart und sie wird von einer Kanzlei kontaktiert als die letzte Überlebende der Familie. Ihr soll ein Gemälde überreicht werden. Durch dieses Gemälde wird Evelyne in die Vergangenheit katapultiert.
Der Roman ist ein über 3 Generationen hinweg analysiertes Schauspiel was es heißt Mutter und Frau zu sein, wie es doch immer noch ein Opfer verlangt und die Vereinbarkeit nicht ganz so einfach erscheint wie es gerne gedacht wird. Eher eine analytische fiktionale Auseinandersetzung, aber eine bereichernd gute!
Lesenswert!