Von Frauen, Bildern und Berlin

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bavaria123 Avatar

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Eigentlich mag ich sperrige Buchtitel nicht sonderlich gern. Deshalb hatte ich auch zunächst einen kleinen Klemmer, als ich "Junge Frau, am Fenster, Abendlich, blaues Kleid" auf dem Cover vernahm. Einem Cover, das mir wiederum sehr gut gefallen hat, schlicht und schön mit wenigen Farben.
Die Inhaltsangabe hat mich dann letztlich absolut neugierig gemacht. Und das war gut so.

Alena Schröder schreibt in diesem Buch über Berlin in den 20 er Jahren und in der Gegenwart, Israel, über eine jüdische Familie, das NS-Regime, Kunst und Kunstraub, Mütter und Töchter, Männer und Frauen. Das scheint erst einmal viel zu viel zu sein für ein Buch mit 366 Seiten. Aber mich hat die Autorin absolut überrascht.

Die drei wichtigen Protagonistinnen schildert sie jede für sich charakteristisch. Keine von ihnen ist unfehlbar, jede auf eigene Weise sympathisch. Senta, die 1923 ungewollt vom Fliegerpiloten Ulrich schwanger wird und in eine unglückliche Ehe mit ihm schliddert, sich dann schieden lässt und ihr Glück mit Julius Goldmann findet. Evelyn, die bei ihrem Vater und dessen Schwester Trude bleibt und nun in der Gegenwart in einem Altenheim lebt. Und dann die 27jährige Germanistikstudentin Hannah Borowski, die Enkelin von Evelyn, die sich auf die Spuren ihrer Familie macht.

Alena Schröder schreibt den Roman in verschiedenen Ebenen, wodurch sich eine gewisse Spannung aufbaut. Ihr Stil ist gefühlvoll, teilweise poetisch, aber nicht kitschig. Sie beschreibt die Personen authentisch, aber auch die Handlungsorte bildhaft und lebendig. Sie kennt sich in Berlin aus, das ist nicht zu verleugnen.

Mir hat die fiktionale Familiengeschichte sehr gut gefallen. Und auch der sperrige Titel wurde aufgeklärt. Junge Frau, am Fenster stehend, blaues Kleid ist ein Gemälde von Johannes Vermeer. Jener Künstler, dessen Porträt "Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge" eines seiner bekanntesten ist und der vor allem für seine großzügige Verwendung des teuren natürlichen Ultramarins bekannt geworden ist. Ein Bild mit genau diesem Titel habe ich allerdings nicht gefunden, aber "Junge Frau mit Wasserkanne am Fenster" würde dem Titel sehr nahekommen. Das Bild "Die Malkunst" hat dagegen umstrittene Eigentumsverhältnisse.

Ich empfehle das Buch von Alena Schröder gern mit allen Sternen weiter. Es war für mich ein gelungener Einstieg in das Lesejahr 2021.