Beschwerliche Heldinnenreise

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edda Avatar

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Junge Frau mit Katze – der Titel ist ansprechend, erscheint harmlos – ist er aber nicht.

Ela, die schon fünf Jahre an ihrer Doktorarbeit arbeitet, wird krank.
Dieser autofiktionale Roman beschreibt, wie sie mit den Symptomen umgeht und deren Ursachen findet, die medizinischen und die psychologischen.
„Kranksein gehörte zu meinem Leben, wie für andere das Atmen“, erkennt sie.
Ihre Konzentration liegt notgedrungen auf dem Körper, der immer stark reagiert. Sie bemerkt ständig neue reale Symptome mit daraus resultierenden Untersuchungen und Diagnosen von Ärzten: Kehlkopfentzündung, Herzmuskelentzündung, Asthma, Hashimoto, dann eine Grippe, Hat sie auch eine Katzenallergie entwickelt? Die Krankheitsbilder werden detailliert beschreiben, ebenso die Arztbesuche.
Elas Instinkt will sich nicht auf die Diagnosen einlassen, Tabletten nehmen. Unklare Befunde lassen sie zweifeln, Ängste lassen ihren Körper in Chaos versinken. Sie fragt sich, wie die Symptome zusammenhängen. Währenddessen führt Ela ihr Leben weiter wie bisher. Bald muss sie sich der Prüfung stellen. Ihr Doktorvater bietet ihr eine anschließende akademische Tätigkeit an. Trotz ihrer Krankheitsbilder, ihrer Unpässlichkeit, Bettlägerigkeit denkt sie ununterbrochen an ihre Disputation.
Ihr schwieriges Verhältnis zur Mutter wird beschrieben, das zu ihrem Bruder, ihrer Freundin, auf deren Tochter sie tagsüber aufpasst. Dann macht ihre Mutter unerwartete eigene Schritte im Leben und hat auch vor, auf die Hochzeit des Bruders nach London zu kommen. Inzwischen sitzt Ela in ihrem Chaos aus Krankheiten, Diagnosen und eigenen Vorstellungen und dem Funktionieren fest.

Diese Verzweiflung von langandauernd Kranken wird selten beschrieben. Die Thematik hat unser vollstes Mitempfinden. Doch diese Umsetzung ist für mich streckenweise belastend und das „hinreißend Komische“ konnte ich nur in wenigen Sequenzen entdecken und mehr Humor als Ausgleich hätte vielleicht der Schwere der Situation Elas gut getan. So ist man konfrontiert mit allen Einzelheiten der Symptome diverser Krankheiten und den Diagnosen der Ärzte und Elas Reaktion darauf, was irgendwann beklemmend und ermüdend auf mich gewirkt und eine Distanz zu mir als Leserin geschaffen hat. Allerdings ist es natürlich bedeutsam, die Ursache und den Zusammenhang mit einer ganzheitlichen medizinischen Untersuchung zu verstehen und auf dies hinzuweisen – was in diesem Buch auch geschieht. Und, wichtig, wie Daniela Dröscher am Anfang mitteilt. “Schreibend kann ich versuchen, uns (die Mutter und sie) zu retten. So wie mich das Schreiben immer gerettet hat.“ Und so ist dieser autofiktionale Roman auch ein Heilmittel für sie in Romanform.

Als die Mutter die Reißleine zieht, ist der befreiende Cut eingetreten, die Symbiose zur Mutter, die noch bestand, entzweit, „mein Körper hat im Schatten ihres (der Mutter) Körpers gelebt“, weiß Ela. So findet Ela im letzten Abschnitt zu ihrem ureigenen Werdegang und Selbstermächtigung - eine beschwerliche und erfolgreiche Heldinnenreise. Alles findet an den richtigen Platz.

Die schöne und klare Sprache, die den Roman ausmacht, beeindruckt. Ebenso gelungen und inspirierend fand ich die japanischen Gleichnisse und die vor jedem Abschnitt gedruckten Zitate von Yoko Tawada.
Ela selbst hinterlässt bei mir einen gemischten Eindruck, die anderen Mitspieler bleiben eher flach - Ela nimmt sehr viel Raum ein. Die überbordende Sicht und den Umgang mit den Krankheiten lassen Abstand entstehen. Das entstehende Chaos wird auf den Leser abgeladen.
Einfach zu lesen mit schönem Schreibstil und streckenweise anstrengendem Inhalt.