Krankheit und Familiengeschichte

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petris Avatar

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Nachdem mir „Lügen über meine Mutter“ sehr gefallen hat, war ich gespannt, wie die Geschichte von Ela im neuen Roman weitergehen würde. Inzwischen ist sie erwachsen, lebt alleine, steht kurz vor der Promotion, die Verteidigung ihrer Arbeit steht ihr noch bevor. Sie hat ein Stipendium, einen kleinen Job in ihrem Institut. Doch dann wird sie plötzlich krank. Stechende Halsschmerzen, Müdigkeit, starker Durst. Eine Odyssee von Arzt zu Arzt beginnt. Immer wieder ein Thema, die Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem Bruder.
Sehr gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches. Eingeleitet wird jedes Kapitel von Zitaten der Autorin Yoko Tawada, die die Protagonistin verehrt. Sie sind sehr treffend ausgewählt und lockern den Erzählfluss auf. Zwischen den Abschnitten, in denen die Protagonistin von ihrem Leidensweg erzählt, sind kleine Kapitel eingeschoben, in denen sie über ihre Mutter reflektiert.
Auch sprachlich hat mir der Roman gefallen.
Allerdings hatten die Episoden rund um ihre Symptome und ihre Arztbesuche ziemliche Längen. Ich weiß, wie schwierig es ist, mit unklaren Symptomen eine gute Diagnose zu bekommen, wie oft man als Frau beim Arzt nicht ernst genommen wird. Aber ganz kam diese Frustration oder der Mehrwert für die Geschichte leider nicht rüber.
Zudem hatte ich den Eindruck, dass vieles nicht klar war, wenn man das erste Buch mit Ela als Protagonistin nicht gelesen hat.
Die stärkste Figur, bei der auch die meiste Entwicklung stattfand, war die Figur der Mutter. Sie fand ich sehr gut gezeichnet und auch sehr gut umgesetzt. Auch das Ende fand ist gelungen und zählt mit zu den stärksten Abschnitten des Buches.
Insgesamt fand ich den Roman nicht schlecht, völlig begeistern konnte er mich nicht. Autofiktion ist ein Genre, das für meinen Geschmack oft nicht ganz aufgeht, da der Abstand der Autor:innen manchmal nicht genügt, um aus der eigenen Geschichte tatsächlich Literatur zu machen. Diesen Eindruck hatte ich auch hier ein wenig.