Über Krankheit und Selbstignoranz; mit Kater

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
kwinsu Avatar

Von

Ela steht kurz vor ihrer Promotion, als sie plötzlich von allen möglichen Krankheiten befallen wird. Nicht nur ihr Abschluss, sondern auch ihre wissenschaftliche Karriere laufen Gefahr zu scheitern. Obwohl sie gesundheitlich stark gebeutelt ist, arbeitet und lernt sie, immer kurz vor dem endgültigen Kollaps. Doch nicht nur dies macht ihr zu schaffen, auch ihre komplizierten Familienverhältnisse scheinen sie in den Abgrund zu ziehen...

Daniela Dröscher legt mit "Junge Frau mit Katze" den autofiktionalen Nachfolger ihres Erfolgsbuches "Lügen über meine Mutter" vor. Während letztgenanntes mich seinerzeit umgehend in den Bann zog, ich schockiert, betroffen, mitfühlend war und ständig auch Parallelen zu meiner eigenen Biographie vorfinden konnte, bin ich von ihrem aktuellen Buch einigermaßen enttäuscht. Zwar mag ich den Schreibstil der Autorin sehr, allerdings fehlte mir eine tiefere Aussage oder grundsätzlich eine einnehmende Geschichte.

Hauptsächlich geht es um Krankheit. Immer neue Krankheiten tauchen auf, über weite Strecken weiß man nicht, ist das nun echt oder eingebildet, wurde ihr ihre Kränklichkeit von der Mutter anerzogen oder weiß Ela einfach nicht, wann einmal Schluss sein muss. Trotzdem es ihr miserabel geht, arbeitet sie weiter und lernt sogar japanisch im Schnelldurchlauf, weil sie es einfach nicht schafft, ein Missverständnis aufzuklären. Strikt hält sie am eingeschlagenen Weg der literaturwissenschaftlichen Karriere fest, ohne zu wissen, ob sie das eigentlich will. Gleichzeitig regt sie sich über ihre Mutter auf, die sich endlich zu emanzipieren scheint, kehrt immer hervor, wie dick und unbeweglich ist und zwischen den Zeilen liest man, dass auch sie sich für ihre Mutter schämt. Statt sich mit ihr zu freuen, stellt sie ihre eigene Abhängigkeit vor das Wohl ihrer geplagten Mutter. Wenig ist gemein mit dem Mitfühlenden aus den "Lügen". Ihre engste Freundin Leo scheint sie nur zu akzeptieren, wenn Ela sich um deren Tochter Henny kümmert, auch wenn sie zum Kindersitten eigentlich zu krank ist. Generell wirken Elas Beziehungen alle toxisch. Nur ihr Bruder, lebend im fernen London, scheint ihr eine liebevolle Stütze zu sein. Ihr Arbeitskollege O ein Lichtblick in ihrem Leben. Elas Kater Sir Wilson ist ein Highlight.

Besonders irritiert hat es mich, wie die Protagonistin die Augen für Tatsächliches verschließt. Eine schwerwiegende Krankheit, die sie vor einiger Zeit hatte, stellt sich als einigermaßen harmlos heraus, doch die tatsächliche, positivere Diagnose wollte sie einfach lange Zeit nicht hören. Einmal in den Strudel der Krankheit hineingezogen, scheint es keinen Weg mehr heraus zu geben. Zwar ist mir aus eigener Erfahrung bewusst, wie tief einen ein schweres Krankheitsschicksal oder die Ungewissheit, was man selbst eigentlich so will, schwer belasten kann. Aber in dem Ausmaß, in welchem das die Protagonistin erfährt, ist nicht nur äußerst hinunterziehend, sondern mitunter auch nervig.

Mein Fazit: "Junge Frau mit Katze" kann man lesen, wenn man wissen will, wie es nach "Lügen über meine Mutter" weitergegangen ist oder kein Problem hat, von allen möglichen Krankheitsgeschichten mit hypochondrischen Anflügen gepaart mit toxischen Beziehungen und einigen Lichtblicken einvernommen zu werden. An der Anziehungskraft des Vorgängers kann es leider nicht mithalten.