Wenn wir krank sind

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tausendmund Avatar

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Wisst ihr, was für mich das spannende (und tragische) an Hypochondrie ist? Gar nicht so sehr die Beschaffenheit der Zwangsstörung, sondern die Art und Weise, wie die Gesellschaft auf von ihr selbst diagnostizierte Hypochonder*innen reagiert: mit Ignoranz, Genervtheit und schlechten Ratschlägen. Ich lebe selbst mit einer „unsichtbaren“ Erkrankung und weiß was es bedeutet, die Krankheit mastern zu müssen und gleichzeitig dafür zu kämpfen, dass sie ernstgenommen wird. Und doch nehme ich bei anderen immer noch viel zu oft den Shortcut und denke „Ach komm, ist doch bestimmt nur psychosomatisch!“ – das hat mir Daniela Dröschers neuer Roman einmal mehr bewiesen.

Ela ist Anfang 30 und steht kurz vor der Verteidigung ihrer Promotionsarbeit als ihr Körper scheinbar anfängt, sich gegen sie zu wenden: Kleine Beschwerden werden schnell zu großem Leid und der Frage: Hängen die Symptome vielleicht alle miteinander zusammen? Was passiert hier eigentlich gerade mit mir? Geplagt von Leistungsdruck und Ängsten, weil ihre berufliche Zukunft in der Wissenschaft ebenfalls wankt, begibt Ela sich auf den energiezehrenden Weg einer Diagnose: Sie erträgt ärztliche Unterstellungen, erhält lächerliche Vermutungen und schwimmt in einem Gesundheitssystem, das an sich selbst erkrankt ist.

„Junge Frau mit Katze“ ist eine Geschichte über Heilung und die Rückeroberung des eigenen Körpers. Es ist ein Text, der den individuellen wie auch gesellschaftlichen Wert von Krankheit einfängt… und das in Dröschers unverwechselbarer Schreibe, die leise bewegt und mich trotzdem wieder ganz arg mitgerissen hat. Definitiv eine der stärksten Stimmen in der deutschsprachigen, autofiktionalen Gegenwartsliteratur!