Krähen-Epos

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regenprinz Avatar

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Ein Autor namens John Crowley, der ein Fantasy-Epos über Krähen schreibt - das weckte meine Neugier sofort und die Leseprobe fand ich faszinierend.
Der Roman über Dar Eichling, die erste Krähe, die einen Namen trägt, die ein unvorstellbar langes Leben führt (oder mehrere?) und die u.a. auch mit Menschen kommunizieren lernt, beginnt stark. Ich war sehr angetan von den interessanten Einblicken in Eichlings Krähenleben und vor allem von der Sprache. Originelle Wortschöpfungen wie "schnabelwärts" begeisterten mich.
Doch irgendwann zerfaserte die Handlung und ich verlor den Faden. Oder ... gab es den wichtigen Faden überhaupt? Ausufernd mythisch und zunehmend verworren empfand ich das Gelesene, manche Sätze konnte ich auch nach dem dritten Mal nicht wirklich "verstehen". Falls der Autor damit die Schwierigkeiten zeigen wollte, Eichlings Geschichte für Menschen verständlich zu machen, ist ihm das hervorragend gelungen. Nur nahm es mir leider irgendwann den Spaß am Buch ...
Dem Roman gebührt durchaus Respekt, finde ich, für den Versuch einen so weiten Bogen durch die Zeit zu schwingen, beginnend bei frühen Siedlern, denen das Mädchen mit dem Fuchsfell und der Sänger angehören. Später lebt Eichling z.B. eine Weile bei Mönchen auf einem kargen, sturmumtosten Eiland und wagt sich dann auf die Überfahrt übers Meer. Noch später begleitet er Indianerstämme und anschließend eine spiritistische Frau, die mit Geistern Kontakt aufnimmt. All diese Episoden sind mir aber zu wenig verknüpft. Zudem fand ich Eichlings Beziehungen zu anderen Krähen (Kits, Kirschin oder später Moostochter) oft spannender, weil interessanter und lebendiger erzählt. Manches Rätsel blieb leider bis zum Ende - zumindest habe ich nie eine klare Vorstellung davon bekommen, was das höchst kostbare Ding, das Eichling einst aus dem Haus der Weltenkrähe gestohlen hat, eigentlich sein sollte. Die Herkunft des "Steins", den er später Kits bringt, fand ich dagegen wiederum zu albern für einen Unsterblichkeitsmythos ...
Hin und wieder abstoßend wirkten auch die Szenen der aasfressenden Krähen auf mich. Ja, natürlich, die wahren Ungeheuer der Weltgeschichte sind die Menschen. Aber deswegen behagen mir konkrete Schilderungen von "Entfleischung" in einem Fantasyroman trotzdem nicht, so ist es nun mal.
Insgesamt kann ich daher leider nur 3 Sternchen vergeben. Das Hardcover ist sehr schön aufgemacht und Eichlings Geschichte hat wirklich besondere Anteile (gerade auch sprachlich!), aber insgesamt war ich am Ende von der verworrenen, undurchsichtigen Handlung doch etwas enttäuscht.