Die Erinnerungssafari

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wilde hummel 1 Avatar

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Schon das Buchcover ist ein gelungener Hinweis - da hängt eine angeschlagene Blechtasse an einem rostigen Nagel, leer und sonst nichts. Menachem Kaiser lebt in Toronto und hat seinen Großvater nie kennengelernt, weiß überhaupt wenig von den Wurzeln seiner Familie. Auf einer Reise nach Polen nimmt er den Faden auf und sucht nach dem verlorenen Haus, nach der verlorenen Geschichte. So unfassbar die Verfolgung und Ermordung der Juden im 3. Reich, in der dokumentarischen Spurensuche und durch Kaisers Disziplin der Wahrheitsfindung erhält das Buch eine zeitenüberschreitende Präsenz. Dabei wird auch das heutige Polen mit seiner Bürokratie und Justiz beschrieben, ebenso die eifrigen Schatzsucher, die Erinnerungstouristen und unterirdische Tunnelprojekte. In der Erde und in den Köpfen vergrabene Artefakte, Konzentrationslager vom Gras überwuchert, Mythen und das Graben nach Wahrheiten oder die ersatzweise entstehenden Verschwörungstheorien - Menachem Kaiser geht konsequent immer tiefer hinein in seine Familiengeschichte, verfolgt die Spuren, trifft auf Überraschungen und hat mittels seiner gründlichen Recherche eine sehr persönliche und zugleich allgemeingültige Dokumentation geschrieben. Es ist viel mehr als nur ein Sachbuch, es ist auch eine eindringliche Familiengeschichte, die mir eine Ahnung vom großen Verlust nahegebracht hat und mir den Blick auf die Geschichte erneut geschärft hat.