Familienerbe - eine Spurensuche

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martinchen Avatar

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Menachem Kaiser hat seinen Großvater nie kennengelernt, da er früh verstorben ist. Die Familiengeschichte hat ihn nicht besonders interessiert. Das ändert sich, als er Polen besucht und einen Abstecher in den Heimatort des Großvaters unternimmt. Dort besaßen die Vorfahren ein Haus, das von den Nazis enteignet wurde. Der Großvater hat versucht, scheinbar etwas halbherzig, es wieder in das Familieneigentum zurück zu führen.
Erst als Menachem, der nach seinem Großvater benannt ist, Polen besucht, wird sein Interesse geweckt und er beginnt mit der Spurensuche.

In einem angenehm zu lesenden Schreibstil beginnt Menachem Kaiser die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Zu Beginn ist das sehr kurzweilig zu lesen, etwa in der Mitte verliert er sich etwas in den Beschreibungen einer Gruppe, die sich „Schatzsucher“ nennen und nach Schätzen der Nazi-Zeit suchen. Von ihnen ist er so fasziniert, dass er vieles sehr, mitunter zu detailliert erzählt. Allerdings erfährt er von ihnen auch von dem Cousin seines Großvaters, der ein Tagebuch mit seinen Erlebnissen veröffentlicht hat. Damit nimmt er die Spurensuche wieder auf. Das Ende ist etwas unbefriedigend, weil Fragen offen bleiben.

Menachem Kaiser beschreibt nicht allein die Spurensuche, er fragt nach der Definition von Erinnerung, er erzählt von Mythenbildung, von der polnischen Bürokratie, von neuen Bekanntschaften von Erfolgen und Misserfolgen, von Verschwörungstheorien und natürlich von seiner Familie, teilweise sehr philosophisch und tiefgründig.

Menachem Kaiser, Jahrgang 1985, studierte kreatives Schreiben an der University of Michigan. Für das vorliegende Buch, sein Debüt, erhielt er 2022 den Sami-Rohr-Preis für jüdische Literatur.

Übersetzt wurde das Sachbuch von Brigitte Hilzensauer, Jahrgang 1950, die u.a. Timothy Snyder und Nick Thorpe übersetzte.

Fazit: ein besonderes Buch, berührend und bereichernd