Jüdische Spuren in Osteuropa

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sapere_aude Avatar

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Menachem Kaiser teilt mit seinem Großvater den Namen, ihre Leben könnten aber unterschiedlicher nicht sein: Er im modernen Kanada geboren, sein Großvater in Polen zur Welt gekommen und vor den Nazis in die USA geflohen. Getroffen haben sich beide nie, denn der Großvater verstarb vor Menachems Geburt. Gleichwohl bleibt er als Person präsent und so beschließt der Autor, nach Polen zu reisen und die Spuren seiner Familie zu suchen und insbesondere das ehemalige Haus der Familie, das schon sein Großvater zurückerhalten wollte, wiederzufinden und nach Möglichkeit seinerseits wieder als Eigentum zu restituieren...
Was als unbedarfte Spurensuche eines Enkels beginnt, entwickelt sich zu einer umfassenden Reise in die Vergangenheit seiner Familie - mit der spannenden Erkenntnis, dass diese Vergangenheit, trotz des Holocausts, Spuren in der Gegenwart hat. Ein besonderes Beispiel ist Abraham Kajzer, ein Cousin von Kaisers Großvater, der mehrere Arbeitslager Schlesien überlebt hat und dessen Tagebuch in Polen bekannt und viel gelesen ist - wenn auch nicht unbedingt aus historischen Gründen.
"Kajzer" ist ein Memoir und faktenbasiert; an manchen Stellen ist es etwas langatmig, insgesamt aber sehr reflektiert und außerordentlich spannend zu lesen. Zugleich werden sehr viele Fragen aufgeworfen, die nicht nur Enkel von Holocaust-Überlebenden umtreiben dürften: Wie verhalten sich historische Fakten zu Familienerzählungen, zu was verpflichtet historisches Recht oder Unrecht und was bedeutet es eigentlich, Wurzeln zu haben?