Wenn die Kälte zur Waffe wird

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missmarie Avatar

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"Dagegen besteht durchaus die Gefahr, dass das Mädchen erfroren sein könnte, falls sie volltrunken war und sich zum Ausruhen in eine Schneewehe gelegt hat."

Die eisige Kälte im Winter Nordschwedens ist mörderisch. Wer sich zu lange mit unpassender Kleidung in ihr aufhält, erleidet den Kältetod. Das ist die dunkel Kehrseite der beliebten Skigebiete im Norden Skandinaviens. Temperaturen von über minus zwanzig Grad garantieren zwar Schnee und Winterzauber, können aber schnell tödlich werden. Das wissen auch die Bewohner der Region und so wächst ihre Sorge gewaltig, als die achtzehnjährige Amanda nach einer Lucia-Feier nicht nach Hause kommt. Ist sie auf dem Weg nach Hause angefahren und vom Schnee bedeckt worden? Hat sie sich im Dunkeln verlaufen? Oder steckt ihr bereits gewalttätig gewordener Freund hinter Amandas verschwinden? Kommissar Daniel Lindskog und seine Kollegen nehmen die Ermittlungen auf. Doch als chronisch unterbesetztes Team stoßen sie bald an ihre Grenzen. Gut, dass die Stockholmer Polizisten Hanna Ahlander gerade eine Auszeit im Winterdomizil ihrer Schwester nimmt und die Hilfe beim Fall anbietet.

Viveca Sten, die Autorin des ersten Bandes der neuen Polarkreis-Krimi-Reihe, ist ein gewichtiger Name in der schwedischen Kriminalliteratur. Auch wenn ihre Kommissare normalerweise auf den Inseln im Süden des Landes ermitteln, zeigt Sten, dass sie auch in kälteren Gefilden spannende Geschichten verpacken kann. Wie zu erwarten, baut sie einen soliden Spannungsbogen auf, präsentiert verschiedene Tatverdächtige und hält den Leser mit kleinen Informationshäppchen bei der Stange. Wer aufmerksam liest und ein gutes Namengedächtnis hat, der kann schon frühe einige richtige Schlüsse ziehen. Insgesamt also ein solide erzählter Krimi.

Neben der Krimierzählung an sich gelingt es der Autorin aber auch, die Landschaft, den Schnee und vor allem die Kälte immer wieder gekonnt in den Krimi einfließen zu lassen. Werden die niedrigen Temperaturen zur Mordwaffe? Wie schwer gestalten sich Ermittlungen im Tiefschnee? Der Leser taucht hier nicht nur in einer vorweihnachtliches Bullerbü für Erwachsene ein, sondern wird auch mit den negativen Seiten des Skiparadieses konfrontiert.

Obwohl Spannung und Länderbezug durchaus gelungen sind, hat die Geschichte einige Stellen, die mich gestört haben. Zum einen tauchen mir im Laufe der Erzählung zu viele ernste Themen auf: Es geht um Menschenhandel, um Geflüchtete, um das Bürgermeisteramt, die Ski-WM und häusliche Gewalt. Womöglich hätte es dem Krimi gut getan, wenn man hier ein wenig entschlackt hätte und sich dafür mehr auf die plausible Schilderung der Achtzehnjährigen konzentriert hätte. Den auch hier gibt es einige Dinge, die meiner Meinung nach nicht so gut zum Charakter der Figuren passen. Fraglich ist für mich auch, wie sich ein zweiter Teil anschließen soll. Denn gerade in der ersten Romanhälfte wird fast einmal zu oft wiederholt, wie friedlich es in Are ist und wie wenig dort passiert...