Eins gegen Deins

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Kalte Wasser, Mysterythriller von Melanie Golding, 400 Seiten, erschienen bei Harper Collins Germany.
Eine gruselige Geschichte über Zwillinge, Elfen und Wechselbälger.
Lauren ist frisch gebackene Mami von Zwillingen. Nach einer komplizierten Geburt und der mangelnden Hilfe ihres Gatten Patrick, ist sie eher überfordert denn glücklich. Dazu kommt eine massive Wochenbettpsychose. Schon im Krankenhaus versucht eine unheimliche Frau Laurens Babies mit ihren eigenen zu vertauschen, Lauren ruft die Polizei, doch die geheimnisvolle Frau kann nicht identifiziert werden. Als Lauren mit den Zwillingen zuhause ist, bricht das Unheil über sie herein. Sie behauptet die Kinder sind vertauscht worden und niemand außer der Polizistin Jo Harper glaubt ihr.
Zuerst einmal möchte ich anmerken, dass es sich bei vorliegendem Buch um einen Mysterythriller handelt. Für eine frischgebackene bzw. werdende Mama ist diese Lektüre m. M. nach völlig ungeeignet. Schon alleine die Beschreibung der Geburt wie auch die Gefühle von Überforderung und Schlafmangel kann einem ganz schön an die Nieren gehen. Trotzdem hat mich dieses Buch fasziniert, gegruselt und super unterhalten. Die 43 Kapitel sind atemberaubend gut geschrieben. Am Kapitelanfang ist jeweils ein Yeats-Text, ein Auszug aus einer irischen Sage oder eines Märchens der Gebrüder Grimm gestellt, schon dadurch allein wird eine unheimliche Stimmung geschaffen. Außerdem ist das Alter der Kinder und Datum und Uhrzeit eingefügt, dadurch konnte ich stets den zeitlichen Überblick behalten. Melanie Golding hat als Erzählstil die auktoriale Form gewählt, das hat mir gut gefallen, dadurch ist es dem Leser möglich die Sicht auf das Geschehen von verschiedenen Personen zu erfahren. Zwischendurch sind Kurznachrichten, Gedanken, oder Tagebuchaufzeichnungen kursiv eingefügt, das macht die Story lebendig. Die Autorin hat ihre Charaktere gut beschrieben, die Gefühle der Mutter, die Recherchen der Journalistin Amy Larsen oder die Bemühungen von D.S. Jo Harper sind glaubhaft und fesselnd beschrieben. Die Erlebnisse von Lauren im Mittelteil in der Therapieeinrichtung fand ich etwas langatmig, doch immer wieder war das Verhalten der Zwillinge ein Grund mir heftig Gänsehaut über den Rücken laufen zu lassen. Letztendlich muss der Leser selbst entscheiden, ob die Lösung einen mysteriösen Hintergrund hat, oder ob das Erzählte einer postnatalen Psychose der Protagonistin zuzuschreiben ist. Eine befriedigende Lösung des Falls ist nicht vorhanden, das lässt Raum für eigene Interpretationen. Ich hatte Mitleid mit Lauren, vor allem als sie in der ersten Zeit von ihrem Mann so schmählich im Stich gelassen wurde, ihre Überforderung mit zwei Neugeborenen war hervorragend beschrieben, das Gefühl kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Zu Beginn der Erzählung habe ich mich geradezu empört, eine Frau nach einer Zwillingsgeburt mit Zange, der die Beine aufgrund einer PDA noch gefühllos sind, wird zusammen mit ihren frischgeborenen Babys, direkt in ein Zimmer verlegt und keine Schwester oder hilfreiche Hand kümmert sich weiter darum. Das finde ich unglaubhaft. Wen wunderts, dass Lauren total überfordert und erschöpft eine Wochenbettdepression entwickelt? Mich hat das Buch gut unterhalten, die kleinen Mängel und der etwas langatmige Mittelteil geben m. M. nach einen Stern Abzug, deshalb von mir 4 von 5 möglichen Sternen und eine Leseempfehlung .