Kämpfernaturen

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„Das Fantatstische an der Zeit, in der wir leben, ist, dass in diesem Jahrzehnt alles total durchpsychologisiert wird. Keine noch so zarte Gemütsregung bleibt ohne Diagnose. Daher kennen wir Jugendlichen, die aus derartigen »Haushalten« kommen uns bestens mit Traumata und deren tiefenpsychologischen Folgeerscheinungen aus. Constanzes und mein »Nervenkostüm«, wie es hier in unseren Kreisen gerne genannt wird, ist wund gescheuert. [...] Unsere Körper haben jetzt auf Autopilot geschaltet beziehungsweise aufs Notprogramm.“

Die 80er Jahre stehen unter dem Stern der Psychologie und der Emanzipation, die Kinder werden zum Intelligenztest geschickt, die Frauen lesen Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer. Sie wähnen sich aufgeklärt, frei und selbstbestimmt und sind doch auch nur Kinder ihrer Zeit, indem sie den gegenwärtigen Strömungen ausgeliefert und in den Trends ihrer Zeit gefangen sind. Der Leser taucht in die Innensicht von Rita, Georg, Johannes, Klara, Ulla, Rainer, Cotsch (Constanze), Lexchen (Alexa), Ella und Joschi ein und erfährt auf diese Weise wie diese Figuren die Welt, sich selbst und die anderen wahrnehmen. Angefangen bei Rita mit der dunklen Seele, die keine Erfüllung in ihrem Ehe- und Mutterdasein findet und glaubt, nur die erwiderte Liebe zu ihrer Nachbarin Ulla könnte ihrem Dasein einen tieferen Sinn geben, und aufgehört bei dem kleinen Lexchen, das die reine Liebe verkörpert, sind alle Figuren sowohl äußerst individuell gezeichnet, was sich in ihrer jeweils sehr eigenen Ausdrucksweise widerspiegelt, als auch psychologisch stimmig. Die Figur der Cotsch war nach meinem Gefühl als Charakter nicht ganz rund und auch Lexchens Sprache fand ich an einigen Stellen nicht passend, doch im Großen und Ganzen ist Alexa Hennig von Langes bis tief in die Seele bewegendes und zur (Selbst-)Reflexion animierendes Werk nur in höchsten Tönen zu loben.