Nicht wie meine Eltern

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ute54 Avatar

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Das Cover ist ungewöhnlich, macht von daher neugierig, verrät jedoch nichts über den Inhalt. Es werden dreidimensionale geometrische Figuren in Grau- Schwarz-und Rottönen gezeigt, die an eine 70er Jahre Tapete erinnern.
Der Schreibstil ist frisch und ungekünzelt. Die Charaktere sind 3 Ehepaare mit ihren 5 Kindern. In den kurzen Kapiteln findet ein ständiger Perspektivwechsel statt, wodurch das Leseerlebnis abwechslungsreich gestaltet wird und die Protagonisten sehr lebendig dargestellt werden.

Die Familien gehören dem Bildungsbürgertum an, wohnen in einer Vorstadtsiedlung und konkurrieren hinsichtlich der Intelligenz und Attraktivität der Kinder.

Ella kann sich im Kunsthandwerk ein wenig verwirklichen wird jedoch von ihrem Mann betrogen, Rita ist mit ihrem wenig vorzeigbaren und sehr langweiligen Gatten, Georg, unzufrieden. Sie ist mit Ulla, einer Nachbarin, befreundet, die unter ihrem gewalttätigen sexhungrigen Mann leidet, der sie schlägt und unterdrückt, dem sie aber hörig ist. Sie hat kein eigenes Geld, obwohl sie in der Firma ihres Gatten mitarbeitet. Für Cotsch, ihre ältere Tochter, ist klar, dass sie selbst niemals so enden will. Sie ist der „Kampfstern“ aus dem Titel; sie würde eher zur Killerin werden, als eine Gefangene ihres Gatten und der Siedlung.
Die Lektüre ist teilweise beklemmend, denn alle, bis auf das kleine Lexchen, sind oft unzufrieden. Die erwachsenen Mitglieder der Familien sind gebildet. Die Männer haben gute Berufe, die Mütter, obwohl sie studiert haben, sind unglücklich in ihrer Rolle als Hausfrauen und Mütter, denn sie führen ein eintöniges Leben, teilweise ohne eigenes Auto und eigenes Geld. Die Protagonisten sind beeinflusst durch die Aufbruchstimmung der 60er Jahre. Die Frauen haben die emanzipatorischen Werke einschlägiger Autorinnen gelesen. Die Kinder werden instrumentalisiert, um die nicht erfüllten Wünsche der Eltern eventuell in die Tat umzusetzen. Allen geht es um die Entfaltung des Ichs. Den Kindern soll das durch das Erlernen von Cello oder Flöte ermöglicht werden. Zusätzlich werden sie zu Intelligenztests geschickt. Probleme werden durch analysiert, jedoch nicht bewältigt. Der Besuch beim Therapeuten ist an der Tagesordnung, denn Frustration, Neid und Eifersucht müssen therapiert werden.
Nach der Leseprobe hatte ich eine andere Wendung erwartet. Diesen Frauen geht es wohl zu gut in ihrer Idylle! Das beschriebene Dasein erinnert mich eher an die 50er/60er Jahre, als die Ehefrauen nur Hausfrauen waren. Warum gelingt es diesen gebildeten, aufgeklärten Frauen nicht, sich von ihren Männern zu lösen und Befriedigung im Beruf zu erlangen?
Befremdlich habe ich auch gefunden, dass Cotsch mit 15 Jahren bereits zahlreiche sexuelle Erfahrungen mit teilweise älteren Männern gehabt hat, und das mit Wissen der Eltern.
Generell ein Werk, welches zum Nachdenken anregt, mir persönlich aber wenig Identifikationsmöglichkeiten geboten hat.