Sprachlich genial gezeichneter Mikrokosmos im Deutschland der 1980er Jahre

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gwendolyn22 Avatar

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Ein genial gezeichnetes & teils beklemmendes Gesellschaftsporträt der 1980er Jahre.

Irgendwo in einer Siedlung in Deutschland 1985. Drei Familien drohen zu zerbrechen. So dramatisch dies klingt und ist, so unaufgeregt und fast schon beobachtend skizziert Hennig von Lange das Bild der Gesellschaft in den 1980er Jahren; für meine Begriffe ist ihr dies genial gelungen.

Die Mitglieder aller Familien sind gebildet, jeder Mann geht einem guten Beruf nach, die Frauen sind Mütter und Hausfrau, die Kinder lernen Cello oder Flöte und werden zum Intelligenztest geschickt. Alles wird „durchanalysiert und durchpsychologisiert“ in diesen Tagen. Kinder werden instrumentalisiert, um die nicht erfüllten Wünsche der Eltern nachträglich umzusetzen.

Wie lebt es sich? Wie ist Entfaltung des Ichs möglich, wie ein gemeinschaftliches, partnerschaftliches, familiäres Zusammenleben?
Um diese und weitere Fragen dreht sich Alexa Hennig von Langes Roman „Kampfsterne“.

Ständige Wechsel der Erzählperspektive machen die Lektüre abwechslungsreich, so beklemmend sie mitunter auch sein mag.
Die Innensichten von Kindern, Heranwachsenden und Eltern changieren zwischen Unbefangenheit und Befangenheit, Wehmut, Wut, Frustration, Hoffnung, Neid, Eifersucht und Scheitern und vielen anderen Emotionen, die die Autorin wunderbar einfängt. Immer mit Distanz, aber ganz viel Empathie.

Drei Paare und ihr Nachwuchs werden von Hennig von Lange beleuchtet und durch die Schilderung ihres Inneren wird schnell deutlich, dass das Meiste Theater ist. Eine gelungene Fassade, die aufrechterhalten wird, aberder Putz beginnt langsam zu bröckeln. Ist Annäherung, ist persönliche Freiheit möglich im Deutschland der Achtziger Jahre??

Was passieren für Fehler? Und hätten wir es besser gemacht?
Im Rückblick sind interessante Erkenntnisse über die eigene Kindheit möglich und die Reflexion darüber, was Kindheit in unterschiedlichen Epochen prägt.



Bedrückend, authentisch, sprachlich eine Wucht.
Ein Buch, das stark bewegt.
Ich bin begeistert.