Unerwartet

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misspider Avatar

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Das Buch fängt für einen Krimi ungewöhnlich an, nämlich nicht mit dem Fund einer Leiche, sondern mit einer Beerdigung. Gesine arbeitet als Friedhofsgärtnerin, doch an diesem Tag ist alles anders: das Grab, dessen Blumenschmuck sie herrichten soll, ist für ihre Schwester, die sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Gesine reagiert panisch, gehetzt, in die Enge getrieben. Sie will nicht vom Mann ihrer Schwester, der mit den Kindern bereits eingetroffen ist, erkannt werden, will nicht in ihr Schicksal und die Trauer verstrickt werden. Am liebsten würde sie davonlaufen, aber sie muss erst noch ihre Arbeit erledigen. In der Annahme, eine Fremde vor sich zu haben und mit dem Bedürfnis zu reden, beginnt Jan von seiner Frau zu erzählen, von der Unfassbarkeit ihres Todes und der Ausgeschlossenheit eines Selbstmordes. Als Jan in Gesine die Schwester seiner Frau erkennt, reagiert Gesine abweisend. Die Töchter allerdings scheinen in Gesine etwas zu berühren, denn sie erinnern sie an die eigene Kindheit mit ihrer Schwester.
Noch ist unklar, ob Gesine ihre Distanz wahrt oder wieder Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen wird. Eines aber ist sicher: Gesine teilt die Zweifel von Jan über den angeblichen Selbstmord seiner Frau und der Leser darf gespannt sein, was sie herausfinden wird.

Die Autorin schafft es hervorragend, die Gefühle der Personen widerzugeben. Gesines Panik, in der Falle zu sitzen, wie ein Kaninchen, das mit klopfendem Herzen verharrt in der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben. Die Trauer des Schwagers, der den Tod seiner Frau nicht akzeptieren kann. Im starken Kontrast dazu die Unbekümmertheit von Frida und Marta, die Gesine mit der Kindern eigenen Naivität die Frage »Tut es eigentlich weh, wenn man stirbt« stellen und sie so aus der Fassung bringen.

Zwischen den Kapiteln ist ein Eintrag aus Gesines (?) Notizbuch mit der Beschreibung der Pflanze Rhododendron eingefügt. Ich könnte mir vorstellen, dass solche Notizen das ganze Buch durchziehen und dem Leser so diverse Pflanzen näherbringen, aber auch einen Übergang zum jeweils folgenden Kapitel schaffen.