Glück und Freude am Leben halten gesund

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leseratte61 Avatar

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Klappentext:

Ein kleines Dorf in Kalabrien droht von der Landkarte zu verschwinden: Immer mehr junge Leute ziehen in die Stadt. Um sein schönes Dorf zu erhalten, verbietet der Bürgermeister den Bewohnern kurzerhand das Sterben. Statt Pizza und Gelato gibt es Rohkost und Morgengymnastik. Die älteren Herrschaften sind nicht amüsiert. Doch es naht Rettung, denn ausgerechnet in diesem Dorf will Emilia Bäumle die Italiener von den Vorzügen ihrer Schwarzwälder Kirschtorte überzeugen. Kurz vor der Rente soll der Traum von einer eigenen Konditorei wahr werden. Emilias Tochter Julia, die sich mit einem Agriturismo-Betrieb selbstständig machen will, ist von der Idee allerdings wenig begeistert, der Bürgermeister erst recht nicht. Doch was sich Emilia einmal in den Kopf gesetzt hat, zieht sie auch durch …

Fazit:

Als ich den Klappentext gelesen hatte, fragte ich mich, wie der Bürgermeister das durchziehen will. Wie soll das gehen? Sterben verboten? Na, den schrägen Vogel muss ich mir doch mal näher anschauen. Da blieb mir nur eines übrig, ich klemmte mich unter Emilias Arm und dann ging es auf nach Kalabrien.

Doch bevor wir uns auf die Reise begeben, treffen wir uns noch mit den Freundinnen aus dem Tortenkreis, um noch einmal richtig zu Schlemmen. Dann machen wir uns auf den Weg, um Emilias Tochter zu besuchen, die in Italien studiert. Doch die ist nicht dort, wo wir sie vermuten und so geht es weiter in dieses kleine Dorf, in dem sie inzwischen leben soll. Ab jetzt wird die Reise richtig interessant, denn sowohl Emilia als auch Julia befinden sich an einem Wendepunkt ihres Lebens.

Julia hat die Sicherheit ihres zukünftigen Berufes aufgegeben, um sich ausgerechnet in Piccolo Leone, gemeinsam mit ihrem neuen Freund, einen Traum zu erfüllen. Leider ist das leichter gedacht, als getan, denn es gibt so einige Schwierigkeiten zu überwinden. Kann das gut gehen?

Emilia, die kurz vor ihrem 60. Geburtstag steht, verliebt sich in das Örtchen und dessen kleine Bäckerei, so dass sie sehr schnell einen Neubeginn plant. Doch da gibt es noch den Bürgermeister, dem Emilias Traum von der Bäckerei ein Dorn im Auge ist. Kuchen und Torten sind schließlich gesundheitsgefährdend und passen nicht in sein schönes Dorf. Die alten Menschen sollen lieber zur Zwangs-Aerobic gehen und sich von Rohkost ernähren. So kommt es, wie es kommen muss, es prallen Welten und Meinungen aufeinander. Wo solche Dickschädel aufeinanderprallen, gibt es natürlich auch Beulen. Wer wird sich wohl durchsetzen?

Das Chaos scheint perfekt und dann kommt auch noch der berüchtigte Amor vorbei. Sorgt der endlich für Friede, Freude, Eierkuchen, oder für noch mehr Wirbel?

Während bei Julia die Gäste mit bissigen Ziegen und Hühnerkacke kämpfen, hat es Emilia mit ganz anderen Gegnern zu tun. Doch beide Frauen kämpfen für ihren Traum, auch wenn ihnen so mancher Knüppel zwischen die Beine fliegt.

Durch den tollen und humorvollen Schreibstil tauchte ich wieder mitten in die Handlung und hatte das Gefühl direkt vor Ort dabei zu sein. Bei den bildhaften Beschreibungen entstanden Bilder im Kopf und ich konnte mir die örtlichen Gegebenheiten sehr gut vorstellen. Ich sah die blütenweißen Tischdecken im Café genauso, wie die Macken der Öko-Pension und die uralten Olivenbäume.

Ich konnte mich gut in die Charaktere hineinversetzen, auch in die in den Nebenrollen. Es war wieder eine Begegnung mit völlig normalen Menschen mit all ihren Ecken und Kanten, da Tessa Hennig keine perfekten Topmodells als Darsteller benötigt.

Emilia ist eine starke Frau, die von ihrem Mann für eine Jüngere sitzengelassen wurde und das gemeinsame Versicherungsbüro auch noch alleine weiterführt. Als ihr Ex dann von der neuen Liebe abgeschossen wird, kriecht er bei Emilia zu Kreuze, nur um dann schnell den Löffel abzugeben. Nach vielen Jahren im Hamsterrad verkauft Emilia das Büro, um endlich mal an sich zu denken. Ich konnte all ihre Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen und sie wurde mir immer sympathischer. Ihr Mut, in Kalabrien noch einmal einen Neubeginn zu wagen, hat mir sehr imponiert.

Ihre Tochter Julia will ihr Leben ganz anders gestalten als ihre Mutter und ihren eigenen Weg gehen. Wie trügerisch Sicherheit sein kann, hat sie schließlich bei ihrer Mutter erlebt. So stürzt sie sich Hals über Kopf in ein Abenteuer und auch in die Liebe, auch wenn das für Haare raufen bei ihrer Mutter sorgt.

Die Mutter-Tochter Beziehung ist recht schwierig und es machte mir Spaß, Emilias und Julias Gesprächen zu lauschen und die langsame, vorsichtige Annäherung zu beobachten. Ob sie die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen können und die Sonne bald wieder scheint?

Francesco sorgte hier und da für Kopfschütteln, da er ziemlich stur in seinem Öko-Müsli-Denken war. So manches Brett vor seinem Kopf muss entfernt werden, damit er in die Zukunft schauen kann. Auch wenn er sich teilweise seinen Öko-Ideen verrannte konnte Francesco schnell meine Sympathie gewinnen.

Den Bürgermeister Gaspare hätte ich gerne mal richtig geschüttelt, er war der Unsympath in der Runde mit seinem Gesundheitswahn. Schön, dass seine Mutter das Herz am rechten Fleck hatte und ihm die Stirn bieten konnte. In Camillas Gegenwart wurde der allmächtige Bürgermeister schnell wieder zum kleinen Kind und spurte einfach.

Arturo, der örtliche Bestatter spielt schnell eine große Rolle in Emilias Leben und konnte sich schnell in mein Herz schleichen. Er unterstützt Emilia in vielen Bereichen und ist unglaublich herzlich.

Die restlichen Bewohner des Dorfes wuchsen mir auch schnell ans Herz, da sie einfach wunderbar gezeichnet waren. In ihrer Gegenwart fühlte ich mich einfach pudelwohl und konnte Bella Italia genießen.

Der Roman hat mir von der ersten bis zur letzten Seite sehr gut gefallen, mich allerdings auch ein wenig nachdenklich gemacht, da er den Gesundheitswahn mit einem Augenzwinkern auf die Schippe nimmt. Was bringt das Altwerden, wenn der Genuss und die Freude am Leben fehlen? Es prallen auf humorvolle Weise wieder mal Welten aufeinander und die Lösungen konnten mich überraschen. Die Seiten flogen wieder viel zu schnell dahin und ich wäre gerne länger in Kalabrien geblieben, um Emilias tolle Torten- und Eiskreationen zu genießen.

Von mir eine absolute Leseempfehlung für diesen spritzigen, lockeren Genuss. Allerdings mit einer Warnung: Da ihr garantiert Hochwasser im Mund bekommt, solltet ihr die Waage verbannen. Wer würde nicht für Emilias leckere Kreationen sterben wollen? Lest und genießt einfach, die Diät kann wohl mal einen Moment warten.