Vivere e lasciar vivere

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"Kann gelato Sünde sein?" fragt Tessa Hennig in ihrem neuen Roman, der ihre Leserinenn in ein kleines Dorf in Kalabrien führt, das von der Landkarte zu verschwinden scheint: Immer mehr junge Leute ziehen in die Stadt. Um sein schönes Dorf zu erhalten, verbietet der Bürgermeister den Bewohnern kurzerhand das Sterben. Statt Pizza und Gelato gibt es Rohkost und Morgengymnastik. Die älteren Herrschaften sind nicht amüsiert. Doch es naht Rettung, denn ausgerechnet in diesem Dorf will Emilia Bäumle die Italiener von den Vorzügen ihrer Schwarzwälder Kirschtorte überzeugen. Kurz vor der Rente soll der Traum von einer eigenen Konditorei wahr werden. Emilias Tochter Julia, die sich mit einem Agriturismo-Betrieb selbstständig machen will, ist von der Idee allerdings wenig begeistert, der Bürgermeister erst recht nicht. Doch was sich Emilia einmal in den Kopf gesetzt hat, zieht sie auch durch..

Nach der Lektüre dieses erfrischenden Sommer-Romans gibt es nur eine einzige Antwort auf diese rhetorische Frage: Nein! Wie gern möchte man seinen Koffer packen, nach Kalabrien reisen und das süße Café besuchen, in dem Emilia ihre selbstgemachten Versuchungen wie die heiß begehrte Tartufo-Eistorte anbietet. Emilia ist eine Heldin ganz nach meinem Geschmack, eine durchsetzungsstarke, patente, selbstbewusste Frau der Generation 50 +, die sich nach einer erfolgreichen Karriere als Versicherungsmaklerin nicht zur Ruhe setzt, sondern alles auf eine Karte setzt und ihren Lebenstraum in Italien verwirklicht.

Auch die anderen Protagonisten sind sorgfältig ausgearbeitet worden. Julia, die einzige Tochter von Emilia, hat ihr Studium klammheimlich an den Nagel gehängt, um mit ihrem Freund Francesco eine nach strengen Grundsätzen geführte Öko-Pension aufzuziehen, die mit gewissen Startschwierigkeiten zu kämpfen hat. Der aus Holland stammende Bestatter Arturo entwickelt sich zu einem treuen Verbündeten von Emilia, während ihr der mit allenWassern gewaschene Bürgermeister Gaspare mit Hilfe der Kirche die Hölle heiß macht und zu einem Feldzug gegen die sündhaften Kalorienbomben aufruft, die alle Bewohner des Dorfes ins frühe Grab bringen würden.

Als Italien-Fan hab ich mich in diesen Roman verliebt. Auch wenn meine geplante Reise wohl in diesem Jahr ausfällt, gibt es in der Literatur keinerlei Reisebeschränkungen. "Kann gelato Sünde sein?" ist eine turbulente Urlaubsgeschichte mit viel Witz und Charme, leicht und locker geschrieben, perfekt für den nächsten Urlaub. Buon appetito!